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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition)
Autoren: Vincent Voss
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ab, spülte das Grillrost und leerte die Glut in einen Tontopf, um später das Hügelbeet damit zu düngen.
Anschließend saßen sie in Decken eingewickelt nebeneinander und tranken Wein. Er liebte das geräuschvolle Nachtleben in seinem Garten und dem angrenzenden Wald, den dezenten Geruch der salzigen Ostsee, den Geruch von frisch gemähtem Rasen, Larissas Hand in seiner und die wohlige Wirkung eines süßen Rieslings. Über ihm schien der Mond und die ersten Sterne gingen auf. Aus Danielas Fenster schien ein warmer Lichtschein. Er war geborgen. Viktor drückte Larissas Hand, sie erwiderte seine Liebesbekundung, und im Dunkeln sahen sie sich an.
»Ich liebe dich und mir wird kalt«, sagte sie.
»Du warst schon immer der Elefant im Porzellanladen von uns beiden«, antwortete er (wachsam, denn der Elefant war auch eine gute Vorlage für eine Anspielung).
»Eben. Und das liebst du auch an mir, du Weichei.«
Er lachte.
Sie stand auf, faltete die Decke zusammen, nahm das Weinglas und ging ins Haus.
»Ich komme auch gleich«, murmelte er, kuschelte sich tiefer in die Decke und schloss die Augen.
*
Er erschrak und stemmte sich aus dem Stuhl. Die Decke rutschte von seinen Beinen auf den Boden. Mit Angst in der Brust sah er sich um. Er befand sich immer noch auf der Terrasse. Wahrscheinlich war er eingeschlafen.
Aus dem Wohnzimmerfenster flackerte bläuliches Licht, Larissa sah vermutlich fern. Das Licht bei Daniela war erloschen. Warum hatte er sich so erschrocken? Er analysierte sein Inneres, seine Instinkte, die während des Schlafes wachten. Aufgestellte Härchen auf den Unterarmen, Beklemmung; von irgendwo schien eine Gefahr zu drohen. Er versuchte, sie zu orten und schnell schloss er aus, dass sie von seinem Haus ausging. Er schlich zum Wohnzimmerfenster und spähte hinein. Larissa lag schlafend auf der Couch, ein Moderator lächelte aus dem Fernseher. Alles in Ordnung.
Er drehte sich um und konzentrierte sich. Es war Nacht, aber der klare Himmel ließ den Mondschein seinen Garten in fahles Licht tauchen. Bis zum Schuppen und zum Waldrand konnte er gut sehen, doch dahinter lagen dunkle Schatten. Und von dort spürte er etwas. Er war kein schreckhafter Mensch und vor der Dunkelheit hatte er keine Angst. Es bedeutete nur das Fehlen von Licht und pragmatisch konnten sich Kriminelle in der Dunkelheit besser verbergen. Aber was gab es hier zu holen?
»Hallo?«, rief er zum Waldrand gewandt; rhetorisch, denn eine Antwort erwartete er nicht. Eher hoffte er, dass der- oder diejenige nun wusste, dass jemand zugegen war.
Er lauschte und registrierte etwas, dass seine gerade abnehmende Furcht befeuerte: Es war still. Absolut still. Nicht ein Laut drang aus dem Wald am Ende seines Gartens.
Er schluckte trocken und wusste diese Erkenntnis nicht einzuordnen. Was bedeutete das? Verhielten sich Tiere ruhig in der Anwesenheit von Menschen? Nein. Wenn er im Wald war (sie hatten dort eine Hängematte, in der er früher gelegentlich lag, aber seit ein paar Jahren hatte er Probleme beim Herauskommen), auch um diese Tageszeit, gab es immer irgendetwas zu hören. Ein Taubenpaar hatte sich seit letztem Jahr bei ihnen niedergelassen, Grillen, Kühe, die von den angrenzenden Feldern muhten … aber jetzt war es komplett still. Tiere verhielten sich still, wenn Gefahr drohte.
»Hallo?«, fragte er ein weiteres Mal und rang mit einer Entscheidung. Ins Haus gehen war eine Möglichkeit. Er würde dann wahrscheinlich schlecht schlafen, weil er nicht wusste, was ihm Angst machte. Im Wald nachsehen und feststellen, dass seine Angst unbegründet war, wäre eine weitere Option. Mit dem Elan der letzten Tage, seiner schrumpfenden Kilozahl und dem familiären Ausklang beim Grillen mit dem Freund seiner Tochter, setzte er sich in Richtung Wald in Bewegung – und verharrte. Tatsächlich war da etwas. Etwas, dass ihn beobachtete. Er korrigierte sich: Jemand. Warum antwortete dieser Jemand nicht?
»Hallo! Wenn sie nicht aufhören uns zu belästigen, rufe ich die Polizei“, rief er in den Wald. So laut, dass zumindest seine Nachbarn zur linken Seite es hätten hören müssen. Tatsächlich hörte er das schmatzende Öffnen der Terrassentür seines Nachbarn und dessen Außenbeleuchtung flutete ihren und seinen Garten mit Licht. Bis zum Waldrand. Mit dieser Unterstützung wagte er sich einige Schritte auf den Rasen und spähte in den Wald. Etwas war dort, dessen war er sich sicher. Und es beobachtete ihn, das spürte er.
»Ist alles in Ordnung, Viktor?«,
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