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171 - Todfeinde

171 - Todfeinde

Titel: 171 - Todfeinde
Autoren: Jo Zybell
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Nacht, und dieser Verheißung konnte er nicht widerstehen.
    Die unter Deck angeketteten Männer waren in einem erbärmlichen Zustand. Die Hälfte von ihnen war krank, und alle machten einen unterernährten Eindruck.
    Honeybutt beugte sich zu einem jungen, noch relativ kräftigen Burschen hinab. Er trug langes schwarzes Haar und einen verfilzten Bart. »Wie heißt du?«
    »Sigur.«
    »Wo ist deine Heimat?«
    »Britana.«
    Sie wechselte vom Dialekt der Wandernden Völker ins Meerakanische. »Geben sie euch nichts zu essen?«
    Der Bursche sah sie groß an. »Schon drei Tage nicht mehr.«
    »Warum kümmert ihr euch nicht um die Ruderer?«, wandte Honeybutt sich an den Steuermann. »Kraftlose Sklaven werden euer Schiff kaum voranbringen können.«
    Ambrosio winkte ab und murmelte unverständliche Worte in seinen Graubart. Er drehte sich um und machte Anstalten, wieder die Stiege zum Außendeck hinauf zu klettern. »Den halben Tag saufen sie, den halben Tag schlafen sie ihren Rausch aus«, sagte Sigur.
    »Morgen bringe ich euch zu essen und zu trinken«, versprach Honeybutt. Über die Schulter sah sie nach Ambrosio. Nur noch seine krummen Beine waren auf der Stiege zu sehen. Sie beugte sich an Sigurs Ohr. »Wo liegt der Schlüssel zum Kettenschloss?«, flüsterte sie.
    »Im Ruderhaus, angeblich in einer Schublade des Kartentischs.« Wieder staunte er sie an.
    »Wenn die Zeit reif ist, hole ich ihn da heraus und befreie euch…«
    ***
    Zwei Tage später
    Gantalujew hatte Tee gekocht. Dampf stieg aus den vollen Tassen. Die Flamme einer Kerze flackerte auf dem Tisch. Nur der Anführer des Widerstands saß mit Miss Hardy in der nächtlichen Küche.
    »Der General verbringt ganze Tage und Nächte in der Burg. Die Fürstin ist bester Stimmung. Black sitzt seit einer Woche im Kerker.« Emotionslos und knapp zählte Gantalujew die neuesten Nachrichten auf. »Man hat angefangen ihn zu foltern, doch Mr. Hacker hat das Schlimmste verhindert; niemand weiß wie.«
    Honeybutt ahnte, wie. Doch dass Hacker endlich seine verdammte Pflicht tat, konnte sie nicht über den Schock hinwegtrösten: Mr. Black gefoltert und im Kerker – und bald auch im Wasser… Sie schloss die Augen. Das Schiff, die Reise über den Ozean, Meerakas Küste – all das rückte auf einmal wieder in unerreichbare Ferne.
    »Diesen Piraten hat Carelia ebenfalls zum Todeskampf verurteilt«, fuhr Gantalujew fort. »Er sitzt seit zwei Tagen im Kerker. Seine Leute müssten eigentlich schon Wind davon bekommen haben.«
    Honeybutt horchte auf. »Das hätten sie mir gesagt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem befinden sie sich praktisch in einem Dauerrausch.« Drei Mal hatte Honeybutt der Eusebia inzwischen nächtliche Besuche abgestattet und immer Schnaps mitgebracht, in der vergangenen Nacht sogar vier Huren. Mr. Hacker hatte ihr ein paar Edelsteine aus der fürstlichen Schatulle zukommen lassen. Damit finanzierte sie auch die Verpflegung der Rudersklaven. Sie kannte inzwischen jeden der Zwölf mit Namen und von etlichen bereits die wechselvolle Geschichte ihres Lebens. Seit sie so unverhofft bei ihnen aufgetaucht war, schöpften die Männer wieder Hoffnung. Man konnte förmlich zusehen, wie diese Hoffnung sie aufblühen ließ.
    »Unter normalen Umständen könnte man die Piraten sicher für einen Aufstand gegen die Fürstin gewinnen«, sagte Gantalujew nachdenklich. »Immerhin sitzt ihr Anführer im Kerker der fürstlichen Burg.«
    »Mein Gedanke«, sagte Honeybutt Hardy. »Wir müssen diese Seeleute irgendwie einspannen. Es ist sowieso eine Frage der Zeit, bis die fürstliche Garde das Schiff angreifen oder wenigstens aus dem Hafen vertreiben wird…« Sie stutzte, neigte den Kopf zur Schulter und musterte Gantalujew aufmerksam. »Was soll das heißen: ›unter normalen Umständen‹?«
    Gantalujew zog die roten Brauen hoch, blickte erst nach links, dann nach rechts und schließlich hinter sich.
    »Sehen Sie hier irgendwo einen Mann oder eine Frau des Widerstandes, Miss Hardy?« Sie schüttelte stumm den Kopf. »Nach der misslungenen Entführung haben sich die Kämpfer in ihre Häuser und Dörfer zurückgezogen. Ich verstehe sie, denn niemand konnte wissen, was Poschiko und die anderen unter der Folter preisgeben würden. Ich fürchte, ich würde nicht einmal ein Dutzend bewaffnete Männer mobilisieren können, wenn es hart auf hart kommt.«
    Honeybutt starrte in ihre Teetasse. Gantalujews Eingeständnis brachte keine wirklich neuen Fakten zutage. Doch der
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