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1697 - Aibons Echsenfalle

1697 - Aibons Echsenfalle

Titel: 1697 - Aibons Echsenfalle
Autoren: Jason Dark
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Früher hatte er es nur in der Nacht erlebt. Das jedoch war jetzt vorbei.
    Der Tag war kühl, eben wie es sich für den Herbst gehörte. Es gab keinen Wind, denn er war eingeschlafen, und so wurden auch nur wenige Blätter bewegt.
    Der Mann sah sie fallen. Automatisch dachte er an die Vergänglichkeit, und so vergänglich wie das Laub war auch sein Leben. Es näherte sich dem Ende, aber er hätte nie gedacht, dass dies auf diese furchtbare Weise geschehen würde.
    Erneut erwischte es ihn. Das Blut schoss ihm in den Kopf, und er hatte das Gefühl, sein Gesicht würde anfangen zu glühen. Alles wurde anders, in seinem Kopf tuckerte es. Er spürte einen inneren Druck und klammerte sich mit beiden Händen an der Kante der Bank fest.
    »Nein«, flüsterte er, »nein, nicht schon wieder! Bitte, es soll vorbeigehen. Ich – ich – habe doch nichts getan! Ich will es nicht!«
    Das Andere, das Fremde in ihm kannte kein Pardon. Der Kopf saß noch auf seinem Körper, war aber für ihn zu einem fremden Gegenstand geworden. Hitze strahlte in ihn hinein. Die Haut fing an, sich zu verschieben, und der Mann wusste jetzt, dass es kein Zurück mehr für ihn gab. Es war auch zu spät für ihn, sich zu verstecken, doch er wollte nicht, dass jeder sah, was mit ihm passierte.
    In der linken Manteltasche steckte eine zusammengefaltete Zeitung, die zog er hastig hervor, faltete sie ebenso hastig auseinander und hielt sie so vor sein Gesicht, dass kein Spaziergänger seinen Kopf mehr erkennen konnte.
    Es ging ihm etwas besser. Wer ihn jetzt gesehen hätte, der hätte einen auf der Bank sitzenden Mann gesehen, der eine Zeitung vor sein Gesicht hielt, weil er sie lesen wollte.
    Und doch gab es einen Unterschied zu einem normal lesenden Menschen. Die Zeitung zitterte stark, weil sich das Zittern der Hände auf sie übertrug.
    Der Mann kämpfte mit sich. Er bewegte hinter der Zeitung den Kopf. Den Mund hielt er weit offen. Tief aus seiner Kehle lösten sich die Geräusche, die nicht mehr zu einem Menschen passten, sondern eher einem Tier gehören konnten.
    Er blieb auch nicht normal sitzen. Auf der Bank rutschte er hin und her.
    Es waren hektische Bewegungen, die auch sein Kopf mitmachte. In ihm spürte er nach wie vor den immensen Druck, und das Gefühl, dass sein Kopf bald platzen würde, verstärkte sich immer mehr. Aber er würde nicht platzen, das wusste der Mann auch. Er würde sich verändern und so den Keim freilegen, der in ihm steckte.
    Es war furchtbar, es half auch nicht mehr, dass er sich wegen einer bestimmten Sache Vorwürfe machte. Jetzt musste er mit dem Grauen leben und damit zurechtkommen.
    Nicht nur sein Oberkörper wurde durchgeschüttelt. Auch seine Beine blieben nicht ruhig. Das war besonders an den Füßen zu sehen, die sich hektisch bewegten, angehoben wurden, gegen den Boden trampelten, wieder angehoben wurden und danach erneut aufstampften.
    Es war nicht mehr normal. Niemand saß so auf der Bank, zumindest kein gesunder Mensch.
    Noch schaffte er es, die Zeitung vor sein Gesicht zu halten, doch auch das fiel ihm immer schwerer. Nur mühsam hielt er die Arme hoch, aus seinem Mund drangen schlimme Laute. In seine Schreie mischte sich ein Gurgeln, der Kopf brannte wie Feuer, dann riss er den Mund auf, und zugleich sanken seine Arme nach unten, sodass sein Kopf jetzt freilag und gesehen werden konnte.
    Er wurde gesehen, denn der schrille Schrei der Frau konnte eigentlich nur ihm gelten …
    ***
    Joyce Otis war Studentin der Theologie. Und sie war eine junge Frau, die die Natur liebte. So oft wie möglich hielt sie sich im Freien auf, und das tat sie auch an diesem frühen Nachmittag. Der Holland Park war ihr bevorzugtes Revier. Er war nicht so belebt wie der Hyde Park, hier hatte sie auch tagsüber die Ruhe, die sie brauchte. Da konnte sie nachdenken und – wenn es sein musste – sich auf eine Bank setzen und in einem Fachbuch blättern.
    Die Studentin wusste, dass es nicht mehr viele Tage geben würde, die sie im Freien genießen konnte, und so nutzte sie diese Zeit noch mal aus, denn die Sonne war tatsächlich durchgedrungen und hatte den Nebel fast völlig vertrieben.
    Den roten Schal hatte sie um den Hals gewickelt. Sie schlenderte über den Weg und schob hin und wieder mit ihren Füßen Laub vor sich her. Sie liebte die raschelnden Geräusche, die dabei entstanden, denn sie gehörten für sie einfach zum Herbst dazu.
    Fallende Blätter strichen an ihr vorbei. Manche berührten sie, andere wiederum fielen weiter von
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