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1670 - Der Psychonauten-Gott

1670 - Der Psychonauten-Gott

Titel: 1670 - Der Psychonauten-Gott
Autoren: Jason Dark
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hinter seiner Stirn. Etwas wühlte sich dort frei. Der Pfarrer sah es nicht, doch er wusste, was sich da bildete. Es war sein Schicksal, seine Herkunft. Hätte er jetzt einen Spiegel zur Hand gehabt, er hätte ihn bestimmt vor sein Gesicht gehalten, um nachzuschauen.
    Und dann hätte er das gesehen, was auch den Trauergästen bei ihm auffiel. Auf der Stirn des Pfarrers leuchtete ein drittes Auge!
    ***
    Es gab keine Panik, keinen Aufruhr. Keine Schreie und auch keine Flucht aus der Kirche. Dass der alte Huber dort vorn tot im Sarg lag, war für die Menschen uninteressant geworden. Jetzt gab es nur noch ihren Pfarrer, der auf seiner Kanzel stand und sich so verändert hatte. Er sah noch immer aus wie ein Mensch, aber das Zeichen auf seiner Stirn war nicht zu übersehen. Es war wie ein Brandmal, ein Zeichen, etwas, das eine andere Macht hinterlassen hatte. Elmar Kogel hatte bisher kein Wort seiner Rede gehalten. Er konnte es auch nicht. Hier ging es um ihn. Denn ihm war so etwas wie eine Botschaft geschickt worden, die er auf keinen Fall ignorieren durfte.
    Seine Kraft war ebenfalls wieder vorhanden. Er konnte sich bewegen, das Zittern in seinen Knien war verschwunden. Sehr gerade hielt er sich, als er den Rücken durchdrückte. Er wusste, dass sein drittes Auge auf der Stirn sichtbar war. Es war das Zeichen, dass er dazugehörte. Man hatte sich wieder an ihn erinnert, und so waren alte Versprechen wahr gemacht worden.
    Er ging die Wendeltreppe hinab. Mit jedem Schritt fühlte er sich sicherer, denn da strömte etwas durch ihn, das ihn zu einem anderen machte. Sein Erbe!
    Ja, es war sein altes Erbe, das sich gezeigt hatte. Er gehörte zu den wenigen, die dieses Schicksal tragen mussten, und er würde sich danach richten müssen. Er war nicht allein. Es gab andere Personen, die das gleiche Schicksal zu erleiden hatten. Und das alles würde sich irgendwann zusammenfügen, glaubte er. Das Ende der Treppe war erreicht.
    Elmar Kogel blieb stehen.
    Er sah die Menschen vor sich, die ihn nicht aus den Augen gelassen hatten. Jetzt aber, als er so dicht bei ihnen stand, bekamen sie es schon mit der Angst zu tun. Es war niemand da, der ihn ansprach, aber die Menschen wollten ihn auch nicht länger aus der Nähe anstarren. Fragen wagten sie nicht zu stellen. Und es gab nur eine Blickrichtung. Jeder Mensch schaute in das Gesicht des Pfarrers und sah das dritte Auge auf der Stirn. Es war kein normales Auge, denn es gab einen türkisfarbenen Glanz ab und erinnerte in seiner Form an ein Dreieck.
    Ein Kind konnte seine Neugierde nicht mehr im Zaum halten. Seine Stimme durchbrach die Stille in der Kirche.
    »Warum sieht der Pfarrer so komisch aus?«
    »Still!«, zischte seine Mutter.
    »Nein, nein, lass ihn reden!«, rief Elmar. Ihm war es plötzlich ein Bedürfnis, zu antworten. »Ich bin ein Gezeichneter, aber auch ein Wissender aus alten Zeiten. Ich habe das Wissen in mir. Ich besitze das, was bei den meisten Menschen verkümmert ist. Das dritte Auge, ihr seht meine Veränderung. Es ist ein Zeichen, dass man mich gerufen hat. Ab jetzt werde ich einen neuen Weg gehen müssen, und ich weiß nicht, wann und ob ich zu euch zurückkehre.«
    »Bist du ein Heiliger?«, rief der Junge.
    »Nein, das bestimmt nicht.« Der Pfarrer lächelte etwas versonnen, dann setzte er seinen Weg fort, und es drang kein weiteres Wort mehr aus seinem Mund. Er spürte sein Auge, obwohl er es nicht sah. Aber dort, wo es sich zeigte, da zuckte und pulsierte es, als wäre dort das Leben, das sonst woanders saß. Elmar Kogel ging weiter. Er sagte nichts mehr. Er schaute stur geradeaus. Er sah die anderen Menschen nicht und er ergab sich voll und ganz der anderen Seite. Die Vergangenheit hatte ihn eingeholt. Damit hatte er rechnen müssen, aber er hatte es verdrängt. Nun wusste er, dass er seinem Schicksal nicht entrinnen konnte. Bevor er die Kirche verließ, hielt er noch mal an und schaute nach vorn. Er hatte das Gesicht gesehen, die starre Maske mit dem glänzenden Auge. Es war für ihn gewissermaßen das Zeichen zur Veränderung gewesen, aber jetzt war es nicht mehr vorhanden.
    Bei ihm allerdings schon, und er wusste nicht, wann es wieder verschwinden würde. Eines jedoch war sicher. Die Vergangenheit hatte ihn gerufen, und diesem Ruf wollte er Folge leisten…
    ***
    Gerd Olsen stand am Fenster, das von der Decke bis zum Boden reichte, und genoss den Ausblick, den ihm dieser Standort bot. Ja, er wohnte ziemlich exklusiv. Nicht viele konnten von sich behaupten,
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