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1667 - Die Früchte des Wissens

Titel: 1667 - Die Früchte des Wissens
Autoren: Unbekannt
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vorspringenden Hörn aus Stein. Er mußte schlafen. Damit er nicht rutschte, diente die Kleidung als Unterlage.
    Dennoch wurde die Nacht furchtbar. Ein Trepecco konnte sich an die Feuchtigkeit gewöhnen, auch an die Kälte, nicht jedoch an das Wasserrauschen ringsum und das Geräusch der Lawinen, die in weitem Umkreis niedergingen.
     
    *
     
    Als er erwachte, hatte der Regen aufgehört.
    Etwas warnte ihn.
    Niisu lag völlig still. Er achtete darauf, sich nicht zu bewegen. Es war, als ruhten die Blicke vieler Wesen auf ihm, als hätte ein Raubtier ihn gerade in diesem Augenblick erspäht. Aber nein, die Blicke waren schon länger da ... Er hatte es nur nicht so deutlich wahrgenommen, weil er geschlafen hatte. Nicht bewegen! Da er nicht wußte, um was es sich handelte, mochte selbst das Zucken einer Hand als Angriff gelten. Zumal er sich seiner Lage genau bewußt war: hoch über dem Erdboden, inmitten einer zerklüfteten Felsenlandschaft, in der man sehr leicht stürzen konnte.
    Prüfend sog er die Luft ein. Es roch frisch, nach feuchtem Boden, aber nicht nach Raubtier. Es gab keinen Wind. Hätte sich ein größeres Tier in der Nähe befunden, er hätte seine Witterung aufgenommen. Niisu öffnete die Augen. Nichts geschah. Der violette Himmel war das einzige, was er aus diesem Blickwinkel erkennen konnte. Jede Unebenheit des Felsens bohrte sich in seinen Rücken. Der Bewegungsdrang wurde übermächtig.
    Unendlich langsam legte er den Kopf zur Seite, und da waren sie: Hunderte von Zasavögeln. Sie alle hatten ihn als Fremdling erkannt. Er bildete keine Gefahr für sie, noch nicht. Aber seine Bewegung verfolgten sie so furchtsam, als hänge ihr Leben davon ab. Die meisten Vögel waren größer als sein Kopf. Sie besaßen eine Menge Fleisch, das er als ausgesprochen nahrhaft kannte. Eigentlich gehörten sie ins Land Boor; im Gebirge Rok hatten sie nichts zu suchen. Um so mehr freute ihn der Zufall.
    Hunderte, Tausende.
    Niisu kam vorsichtig mit dem Oberkörper hoch. Ein paar der Zasas schlugen mit den Flügeln, erhoben sich halb in die Luft, aber keiner trat die Flucht an. Und das war gut so, weil sonst der ganze Schwärm aufgeflattert wäre.
    Reglos blieb der Nomade auf seinem Felsblock hocken. Was er sah, hätte er so niemals erwartet. Einen Anblick dieser Erhabenheit bekam man im Leben nicht oft geboten. Das Land Boor erstreckte sich vor ihm in unglaublicher Weite, noch halb verhüllt von den Nebeln des Morgens, die aus den Wäldern hochstiegen und sich auflösten, sobald sie mit höheren Luftschichten in Berührung kamen. Jede Erhebung präsentierte sich wie die Zeichnung auf einem Kartenpergament. Am Rand des Horizonts, kaum mehr sichtbar, brach das Land ab zum Ufer der großen Seen. Weiter rechts, in vielen Tagesreisen Entfernung, reichte ein Wolkenfeld so tief hinunter, daß es darunter regnen mußte. Und hätte er noch weiter sehen können, so vermutete Niisu, über die Grenze der Welt hinaus, dann hätte er vielleicht das Jenseits-Land erblickt.
    Außerdem erkannte er, welch haarsträubenden Aufstieg er bereits geleistet hatte. Es sah aus, als falle das Gebirge senkrecht ab. Lediglich an dieser Stelle des Hangs sah es etwas besser aus; zahllose Vorsprünge erhoben sich aus dem Geröll. Und auf jedem einzelnen davon saßen dicht an dicht die Zasas. Kräftige, schwarze Vögel waren das, mit krummen Schnäbeln, die einen Trepecco schwer verletzen konnten.
    Mit betulichen Bewegungen öffnete Niisu einen seiner Beutel. Er zog das Eisenmesser heraus und faßte es mit rechts. Anschließend begann er, systematisch die Beinmuskulatur zu lockern. Er durfte sich nicht zu sehr bewegen. In seinen Eingeweiden wühlte der Hunger, mehr noch als der Durst. Zu trinken fand er hier oben überall, besonders nach einem Regen. Zu essen aber gab es nichts. Hier wuchsen nicht einmal Pflanzen. Hinzu kam, daß er sich im Gebirge Rok nicht auskannte; bevor er nicht die Frucht gefunden hatte, die ihm Auskunft gab, hatte er keine Chance.
    Also blieben die Zasas: ein unerhörter Glücksfall.
    Nach einer Weile nahmen die Vögel kaum mehr Notiz von ihm. Ihr dumpfes Gurren setzte wieder ein. Gewiß hielten sie Abstand, keiner setzte sich auf Niisus Felsen. Auf der anderen Seite hatte er die Chance ... mit einem schnellen Sprung ...
    Niisu spannte sich. Jetzt.
    Wie ein Brehem schnellte der Nomade hoch. Er lenkte seinen Sprung zur Seite. Von einer Sekunde zur anderen war die Luft von schwarzen Federn und schrillen Lauten erfüllt. Er schlug um
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