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163 - Canyon der toten Seelen

163 - Canyon der toten Seelen

Titel: 163 - Canyon der toten Seelen
Autoren: Susan Schwartz
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immerwillkommen sein, als Schwester und Tochter.«
    Sie erwiderte gerührt den Gruß. »Das Licht der Mutter mit dir, Meister.«
    »Schwere Zeiten werden auf uns zukommen, das weißt du.«
    Sie nickte stumm. Sie fühlte immer noch einen Rest der dunklen Kristalle in sich.
    Windtänzer kam hinzu. Er hatte nur einen kurzen, wenig ehrerbietigen Gruß für Starkholz übrig und wirkte wie in großer Hast. »Verzeiht, Meister, wenn ich unterbreche.« Er wandte sich an Maya. »Ich muss dich sprechen. Sofort.«
    Sie wunderte sich über seinen Tonfall und folgte ihm schweigend, als er auf einem schmalen Pfad auf einen alten Korallenbaum zusteuerte, der allein auf einer Lichtung stand.
    In der Nähe gab es keine Wohnwaben. Es war sehr still hier, nicht einmal das Flüstern des Windes in den zarten Blättern war zu hören.
    Windtänzer wählte den »kurzen Weg«, wie er es nannte, über eine Hängeleiter auf eine hoch in den Wipfeln gelegene Aussichtsplattform. Maya blieb nichts anderes übrig, als ihm nachzuklettern. Das Abenteuer der vergangenen Wochen hatte ihr einige Ausdauer antrainiert, aber sie war dennoch froh, als sie es sich hinter sich hatte.
    Sie waren allein hier oben, keine weiteren Plattformen in der Nähe. Es musste ein besonderer Ort sein, wenn er sie gerade hier herauf führte. Maya richtete sich schnaufend auf und trat an den Rand der Plattform, neben Windtänzer, der wie eine Statue dort stand und auf den Wald blickte.
    Der Wald schien endlos zu sein, ein sich im Wind wiegendes Laubdach, das sich schützend über die Wabennester der Waldmenschen wölbte. Ungefähr zehn Kilometer von hier entfernt war Windtänzers Siedlung zerstört worden, war seine geliebte Frau umgekommen. Die Lücke, die Spuren von Verbrennungen waren selbst von hier aus deutlich zu sehen.
    Eine tiefe Narbe im Herzen des Waldes und seiner Bewohner.
    »Es tut mir Leid, was geschehen ist«, entfuhr es ihr unwillkürlich.
    Windtänzer ergriff ihre Hände und zog sie an sich. Maya war so überrascht, dass sie zuerst nichts tat. Dann aber erwiderte sie die Umarmung, und ein Zittern durchlief ihren Körper.
    »Wir haben beide das Liebste verloren«, sagte er nahe an ihrem Ohr. »Aber wir haben immer noch uns.«
    Maya erinnerte sich an ihre erste Begegnung in Elysium; Jahrhunderte schien das schon her zu sein. [4] Sie war damals noch ein junges Mädchen gewesen, eine Studentin, voller Ideale, Hoffnungen und Sehnsüchte. Und Träume. Und er war ein junger Baumsprecher gewesen, auf seiner ersten Entdeckung in der Stadt.
    Seit damals verband sie beide etwas Besonderes, das keiner von ihnen jemals gewagt hatte in Worte zu fassen.
    »Windtänzer«, flüsterte sie leise seinen Namen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Wie oft hatte sie davon geträumt, bevor sie Lorres' stürmischer Art erlegen war. Doch bereits damals hatte ihr Ehrgeiz im Wege gestanden, die Sehnsucht nach den Sternen. Und eine gewisse Scheu vor dem Baumsprecher. Sonst so direkt und forsch, hatte sie sich in seiner Nähe immer befangen gefühlt.
    Er löste seine Arme von ihr, legte seine Hände an ihr Gesicht und sah sie eindringlich an. In seinen dunkelgrünen Augen gab es fast kein Weiß mehr. »Maya, ich wünsche mir, dass du diesen Moment festhältst und nie vergisst«, sagte er mit bewegter Stimme, die sie beunruhigte. »So oft habe ich darüber nachgedacht, etwas zu unternehmen, aber… ich blieb vernünftig. Es fiel mir nicht leicht, und manchmal haderte ich mit mir selbst.«
    »Was willst du mir sagen?«, flüsterte sie. Sie fühlte ihren Puls in der Halsschlagader pochen.
    »Seit dem Moment unserer ersten Begegnung, meine Baumblüte, hat sich dein Anblick in mein Herz gebrannt«, offenbarte er. »Und ich ahnte, dass unsere Schicksale miteinander verbunden und verwoben sein würden, ebenso wie uns beiden großes Leid widerfahren würde. Obwohl ich die Hoffnung nie aufgeben wollte, wusste ich, dass uns kein gemeinsamer Weg bestimmt war.«
    Sie schluckte. Ihre Unterlippe zitterte. »Dann hast du immer so gefühlt wie ich?«
    »Natürlich.« Erneut schlang er die Arme um sie und drückte sie an sich, so fest er nur konnte. »Für die Ewigkeit, Maya.«
    Sie schloss die Augen, legte ihr Gesicht an seine Wange und ließ seinen herben Duft nach Moos und Weißbaumharz auf sich einwirken; er war ein Teil des Waldes, alles an ihm erinnerte daran. »Dann ist dies also der Abschied«, wisperte sie, und sie spürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. Sie hielt ihn fest, den Augenblick
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