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1602 - Die Lady aus der Hölle

1602 - Die Lady aus der Hölle

Titel: 1602 - Die Lady aus der Hölle
Autoren: Jason Dark
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verbissen weitergeführt, bis eben zu seinem bitteren Ende.
    Ich schaute auf das Grab. Dabei sah ich ihn vor mir. In seinem alten Haus am Wald lebend. Einsam, aber nicht ohne Aufgabe. Ich konnte mich indirekt als sein Nachfolger ansehen, denn der alte Eichenpflock befand sich als Erbe in meinem Besitz.
    Ich sprach mit ihm und sagte mit leiser Stimme: »Wo du auch sein magst, alter Freund, der Kampf geht weiter, das verspreche ich dir hoch und heilig.«
    Ich erhielt keine Antwort aus der frostharten und kalten Erde, aber das Versprechen hatte er bestimmt gehört, in welchen Sphären er sich auch befinden mochte.
    Ich wandte mich vom Grab ab und ging auf den alten Teil des Friedhofs zu. Dort war das Gelände nicht so übersichtlich. Ziemlich dicht wuchsen hier die Büsche, die an den Rückseiten der Gräber einen Halbkreis bildeten.
    Das Grab der Lady Sarah war größer als das des Pfählers. Sie hatte nie einen besonderen Grabstein gemocht. Kein Engel aus Stein, der schützend seine Hände über die letzte Ruhestätte ausbreitete. Sie hatte sich nie als etwas Besonderes gefühlt, obwohl sie genau das gewesen war, und deshalb stand auf dem Grab auch nur ein schlichter grauer Stein. Versehen mit Lady Sarahs Namen und ihren Geburts- und Sterbedaten.
    Als ich auf ihr Grab schaute, da musste ich schon hart schlucken und verspürte auch den leichten Druck hinter meinen Augen.
    Himmel, was hatten sie und ich alles erlebt!
    Sie war eine besondere Frau gewesen. Trotz ihres Alters irgendwie alterslos. Ihr Hobby war all das gewesen, was nicht in den Bereich des Normalen gehörte. Mit Mystik, mit dem Unerklärlichen, mit dem Horror oder dem Grusel, was immer es auch an ungewöhnlichen und unerklärlichen Dingen gab, hatte sie sich beschäftigt.
    In ihrem Haus wohnte jetzt Jane Collins, zusammen mit Justine Cavallo, einer Vampirin. Aber Jane hatte schon vor dem Tod bei Sarah Goldwyn gewohnt. Gemeinsam waren sie auch durch harte Zeiten gegangen und hatten beide nie aufgegeben, das Böse zu bekämpfen.
    Das hatte ich nicht immer toll gefunden, aber die Horror-Oma hatte eben ihren eigenen Kopf gehabt.
    Trotz ihres Alters war sie viel zu früh gestorben. Und auch nicht sanft eingeschlafen. Ihr Leben war durch die andere Seite beendet worden, und ich musste daran denken, wie viel Zeit mir noch blieb, bevor es auch mich erwischte.
    Bisher hatte ich Glück gehabt, aber Glück dauert nicht ewig, davon musste ich ausgehen.
    Es lag nicht nur am Grab der Lady Sarah, dass mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss. Der Jahreswechsel stand bevor. Da hatten Menschen nun mal solche Anwandlungen, was oft nichts mit dem Alter zu tun hat.
    Hinter dem Grab schimmerte es hell auf.
    Es war kein Geist, der da über den Friedhof huschte, sondern nur die Sonne, die ihre Strahlen auf einen mit einer dicken Eisschicht versehenen Strauch schickte, sodass das Eis das Sonnenlicht reflektierte.
    Die Welt drehte sich weiter. Ich lebte noch und hoffte, dass dies noch lange anhalten würde.
    »Ja, Sarah«, flüsterte ich und meine Lippen verzogen sich dabei zu einem traurigen Lächeln. »Schade, denn ich hätte gern mit dir weiterhin zusammengesessen und Tee getrunken. Mach's gut, meine alte Freundin. Bis zum nächsten Besuch.«
    Auch dieses Grab wurde gepflegt.
    Hier lagen die Tannenzweige ebenfalls und bildeten eine grüne Schicht.
    Da konnte man nicht meckern.
    Ich warf einen letzten Blick auf die Grabstätte und wollte mich wegdrehen, als ich aus dem rechten Augenwinkel eine Bewegung in der Nähe wahrnahm.
    Das alles wäre nichts Besonderes gewesen, hätte es auf dem Friedhof mehr Betrieb gegeben. Ich war bisher allein auf dem Gelände gewesen.
    Zumindest hatte ich keinen anderen Menschen gesehen, doch das schien jetzt anders zu sein.
    Vielleicht war auch nur einer der dunklen Vögel dicht über das Gräberfeld geflogen und hatte mich durch seinen Flug irritiert. Jedenfalls drehte ich mich um.
    Nein, das war kein Vogel, dem ich diese Irritation zu verdanken hatte. Es war ein Mensch, der sich nicht weit von mir entfernt aufhielt.
    Ich hätte ihn eigentlich deutlich sehen müssen. Da mich aber die Sonne blendete - die dunkle Brille hatte ich abgenommen -, sah ich den Besucher nur unscharf.
    Ich setzte meine Brille auf und drehte mich halb nach rechts. Jetzt war die Sicht besser.
    Der Mensch war eine Frau. Das hätte mich nicht weiter gewundert. Mir fiel nur auf, dass sie trotz der Kälte ein kurzes Kleid trug, das über den Knien endete und auch ansonsten weit
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