Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
und Essen, folglich muss ich arbeiten.«
    Es kam zu schroff, um für Aruulas Ohren glaubwürdig zu klingen. Sie machte Anstalten, weiter zu bohren, doch die andere blieb plötzlich stehen und hob die Hand.
    Die Frauen lauschten in den Schacht hinein. Nicht weit entfernt quietschte etwas wie eine Seilwinde, und Wasser plätscherte. Sie löschten ihre Lampen und schlichen im Dunkeln weiter. Ein heller Fleck schimmerte ein paar Schritte entfernt. Sie gelangten an eine vergitterte Öffnung. Dahinter verlief ein runder senkrechter Schacht. Irgendjemand hielt eine Fackel oder eine Ölleuchte über seine Öffnung, denn er war nicht vollständig dunkel. Ein straffes Seil bewegte sich in seiner Mitte. Unten hörten sie es plätschern, von oben quietschte es.
    »Ein Brunnen«, flüsterte Eva.
    Aruula drückte sich neben dem Gitter eng an die Wand und versuchte nach oben zur Brunnenöffnung zu schauen. Sie sah nur ein sichelartiges Stück Abendhimmel und einen Schatten, der sich seitlich davon bewegte. Sie spähte nach unten. Den Grund des Brunnens konnte sie nicht erkennen, aber bald stieg der Eimer in ihr Blickfeld. Jemand zog ihn hoch. Er war bis zum Rand mit Wasser gefüllt, und durch das Wasser schwammen für einen Augenblick das Spiegelbild einer Fackel und der Umriss eines Schädels. Aruula hätte schwören können, dass es Taratzen waren, die da oben Wasser aus dem Brunnen schöpften.
    Sie schlichen weiter. »Die Biester müssen die Stadt unter Kontrolle haben, wenn sie es wagen können, die Brunnen zu benutzen«, sagte Eva, während sie die Lampen wieder entzündete. »Die sind normalerweise nämlich streng bewacht. Die meisten liegen außerdem in der Mitte von Plätzen, die sonst keine Deckung bieten.«
    Aruula wunderte sich über die Schlussfolgerungen der Frau.
    Sie sprach wie ein strategisch denkender Krieger und nicht wie eine Küchenmagd.
    Etwa eine halbe Stunde später mündete der Tunnel in einen vielleicht sieben Speerlängen durchmessenden Kuppelraum.
    Vier Einmündungen führten in niedrigere und engere Schächte.
    »Wir sind im Zentrum von Kabuul«, sagte Eva. »Über uns liegt der Platz des Kometen. Dieser Gang dort führt zum Hause Bin Theodors, dieser zum Götterhaus…« Nacheinander deutete sie auf die Einmündungen. »… und dieser hier führt zum Hauptquartier der WEER.«
    »Und der vierte?«
    »Verschüttet; man kommt nur ein paar hundert Schritte weit. Früher gelangte man durch ihn wahrscheinlich zu tiefer gelegenen Ebenen des Tunnelsystems.« Eva zuckte mit den Schultern. »Das ist so lange her, dass nicht einmal die Greise der WEER und die Dalliwaan sich daran erinnern…« Sie hob plötzlich die Rechte. »Still!«
    Sie hörten es scharren, kratzen und schnaufen. Schwer zu sagen, aus welchem der Gänge es kam. Aruula lief zur Einmündung, die zum Hauptquartier der WEER führte, und lauschte hinein. Nichts. Sie winkte der anderen. Eva huschte an ihr vorbei und bückte sich in den niedrigen Durchschlupf.
    Aruula stellte ihre Öllampe in der Mitte des Kuppelraums ab. Sie wollte sehen, wer außer ihnen noch hier unten umherstreifte. Anschließend zog sie ihr Schwert und schob sich rückwärts in den Gang.
    »Es kann nur aus dem Tunnel zum Heilerhaus kommen«, flüsterte Eva. Sie hatte inzwischen ihre Leuchte gelöscht.
    »Calli Eff ist außer mir der Einzige, der den Tunnelzugang vom Götterhaus aus kennt.«
    »Woher weißt du das?«
    Eva antwortete nicht.
    Dicht aneinander gedrängt beobachteten sie den Kuppelraum. Eine Taratze mit anthrazitfarbenem Fell kroch aus dem Durchschlupf zum Heilerhaus. Sie kaute schmatzend, schwerfällig richtete sie sich auf. Eine zweite krabbelte aus dem Durchschlupf, kleiner und mit hellgrauem Fell. Ihr folgten eine dritte und vierte. Den beiden Frauen kroch eine Gänsehaut über die Schultern.
    »Sie müssen den Zugang in der Brandruine entdeckt haben.« Eva beugte sich nahe an Aruula Ohr.
    »Warum ist das Heilerhaus an das Tunnelsystem angeschlossen?«
    »Die WEER unterhält ein kleines SAK- Lager in seinem Keller.« Die Frauen sprachen flüsternd miteinander. »Die Medizinmänner von Kabuul sorgen seit Generationen dafür, dass der WEER die Kundschaft nicht ausgeht.«
    »Widerlich…«, zischte Aruula. Das erregte die Aufmerksamkeit einer der vier Taratzen. Sie ließ sich auf die Vorderläufe fallen und kroch träge heran. Aruula fiel auf, dass alle vier Bestien torkelten und ihre Bewegungen unkoordiniert und schwerfällig wirkten. An keiner bemerkte sie die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher