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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste
Autoren: Michael M. Thurner
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lassen…«
    Die Hand Izo’schs senkte sich. Langsam, wie unter massiven Schmerzen zitternd. »Du gehörst ihm, Weib«, zischte er. Jene Bandagen, die über seinen Mund gebunden waren, stülpten sich unter heftiger Atmung vor und zurück. »Aber sollte der Herr aus irgendeinem Grund das Interesse an dir verlieren, so werde ich dir zeigen, was es bedeutet, einen Schimären zu beleidigen.«
    Er wandte sich ab, stapfte wütenden Schrittes davon.
    N’oia drehte sich zu ihr. »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte er vorwurfsvoll. »Moogan gebietet über uns, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, Izo’schs Ehre als Schimäre zu bezweifeln!«
    »Ehre?« Aruula lachte verächtlich. »Mich wundert, dass ihr dieses Wort überhaupt kennt. In meiner Heimat behandelt man Kriegerinnen und Krieger mit Respekt. Verletzungen werden geheilt, ohne einen Gegenwert zu verlangen. Das, was ihr mit mir gemacht habt, verhöhnt die Werte der Gastfreundschaft.«
    »Hüte deine Zunge, Frau! Du solltest dir in der Kruste wenigstens einen Menschen erhalten, der dich freundschaftlich behandelt.«
    Aruula merkte, wie schwer es N’oia fiel, sich zu beherrschen.
    Sie wollte ihn provozieren, seine Grenzen ausloten, eine Reaktion herbeiführen. Sie mochte nicht glauben, dass diese Menschen, aus deren Stimme und Haltung eigentlich unbändiger Stolz sprach, in derartiger Angst vor diesem mysteriösen Moogan gefangen waren.
    »Was erwartest du denn von mir?«, fragte sie leise. »Gib mir wenigstens ein paar Hinweise, was mich hier erwartet.«
    N’oia wischte sich über die Augen, in deren Winkel sich Schweiß gesammelt hatte. Mit müder, erschöpfter Stimme antwortete er: »Ich weiß es nicht, Aruula. Moogans Pläne sind uns nicht bekannt. Er… er macht, was er will.« N’oia rückte den Turban zurecht und straffte seinen Körper. »Dort unten wartet Sta’sy, Rium’lis Schwester. Sie wird sich um dich sorgen und dich für Moogan vorbereiten. Versuche nicht zu fliehen. Selbst wenn du es schaffst, aus der Kruste zu entkommen, wirst du dich doch nie in den Höhlen zurechtfinden. Und solltest du wider Erwarten dennoch ins Freie gelangen, so wird Moogan dich jagen und zurückbringen.«
    Er nickte ihr kurz zu, machte auf der Stelle kehrt und verschmolz nach wenigen Schritten mit dem Halbdunkel der Höhle, die Kruste genannt wurde.
    Aruula fühlte sich plötzlich sehr alleine, und sie spürte ungewohnte, unbestimmbare Angst.
    ***
    Die Barbarin sah sich zum ersten Mal bewusst ihre Umgebung an. Das Krustenhaus, das einer gewissen Rium’li gehören sollte, war eine Art Bretterverschlag, unter dem nackter Fels mit offensichtlich großer Mühe bearbeitet worden war. Aus dem breiten und gleichzeitig niedrigen Abgang drang traniges Licht.
    Aruula drehte sich einmal im Kreis.
    Kein Mensch war zu sehen; die vermummten Gestalten, die bei ihrer Ankunft die schmalen Wege zwischen Baracken und Häusern bevölkert hatten, waren verschwunden. Leise Stimmen, mehrfach vom Echo gebrochen, ließen sie vermuten, dass in den schäbigen Häusern aufgeregt über ihre Ankunft spekuliert wurde.
    Mehrere massive steinerne Stützpfeiler ragten zur Decke der Krustenhöhle hoch; daran angelehnt standen traurige Lehm-, Stein- und Bretterhütten und bildeten ein seltsam ungeordnetes Wirrwarr. Abseits davon gab es jede Menge dunkle Löcher. Ob einige davon zu Wohnungen ähnlich der Rium’lis führten und andere möglicherweise zu weiteren Ebenen einer noch größeren Unterstadt, vermochte Aruula nicht zu sagen.
    Jemand räusperte sich hinter ihrem Rücken. Hastig fuhr sie herum – und geriet dabei fast aus dem Gleichgewicht.
    Fluchend erinnerte sie sich daran, dass ihre Hände nach wie vor an den Rücken gefesselt waren.
    Eine von oben bis unten vermummte Gestalt stand vor ihr.
    Handelte es sich um eine Frau? Um Sta’sy? Hinter den Stoff- und Gazeschichten konnte man das Geschlecht nicht erkennen.
    Der Körper war hager und knochig; weder Brust noch Hüften wirkten sonderlich ausgeprägt. Das Gesicht hingegen ließ sich hinter einer transparenten und leise knisternden Schicht erahnen. Traurige Augen blickten hinter diesem seltsamen Schleier hervor, der die vielen Narben auf der Wange und um die Nase nur teilweise verdecken konnte.
    »Ich schneide dich los«, sagte die Schimärin mit tiefer, männlich klingender Stimme. Aruula drehte ihr den Rücken zu; schnalzend lösten sich die Fesseln.
    Erleichtert schüttelte Aruula ihre Arme aus. Es kribbelte und brannte, als das
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