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1582 - Das Kimalog

Titel: 1582 - Das Kimalog
Autoren: Unbekannt
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den du zu erleiden haben wirst."
     
    3.
     
    1133-1147 NGZ Der Herbst war die schönste Jahreszeit in Zonai.
    Die drei Kontinente Mostion, Kaybor und Vandago lagen auf der südlichen Hemisphäre von Lingora. Sie bildeten einen Halbkreis, der zum Südpol hin offen war. Kaybor war der mittlere Kontinent, dem Äquator am nächsten, und Zonai lag ganz oben, bildete den nördlichsten Archipel.
    Hier, so nahe dem Äquator, waren die Sommer zu heiß. Im Frühling erschien Molin die Natur zu üppig, und die Winter waren ihm zu eintönig. Aber im Herbst, wenn in anderen Regionen die Natur sich auf den Kälteschlaf vorbereitete, erblühte sie in Zonai noch einmal in besonderer Pracht, nachdem sie sich von der sengenden Hitzewelle des Sommers erholt hatte.
    Seine Jahreszeit war der Herbst. Und dieser Herbst hatte eine ganz besondere Bedeutung. Denn Zyna sah ihrer baldigen Niederkunft entgegen.
    Ihr Kimastrauch war zu einem rosa Ballen erblüht, und selbst sein eigener, der sonst nur schüchtern gelegentlich weiße Blütenkelche zwischen den sattgrünen Blättern, aufblitzen ließ, zeigte sich in ungewohnt verschwenderischer weißer Pracht.
    Während seine Gefährtin von Geburtshelfern betreut wurde, war Molin zu ihrer beider Kimasträucher gewandert. Es waren inzwischen ihrer drei, denn Molin hatte schon vor einiger Zeit seinen Strauch beschnitten und aus dem kräftigsten Trieb einen Setzling gezogen. Er hatte diesen liebevoll gehegt und gepflegt und voller Wärme beobachtet, wie ein gesundes Pflänzchen aus ihm wurde. Er und Zyna waren sich einig, daß daraus einmal ein wunderschöner Strauch werden würde, der ihrem Kind ein starkes Kima garantierte. „Es mag vermessen klingen, aber vielleicht könnte aus unserem Kind ein Friedensstifter werden", hatte Molin philosophiert. Zyna hatte ihm den Mund mit ihrer Samthand verschlossen; sie mochte dem Ungeborenen nicht vorab irgendwelche Auflagen fürs Leben machen. „Es wird, wie es wird", pflegte sie zu sagen und weigerte sich sogar, vor der Geburt eine Namenswahl zu treffen. Und von einer Geschlechtserkennung hatte sie schon überhaupt nichts wissen wollen.
    Doch jetzt schlug der Augenblick der Wahrheit, und Molin war hinausgegangen, den Topf mit dem Setzling in feierlicher Haltung vor sich her tragend. Eine geeignete Stelle hatte er längst gefunden. Er würde den werdenden Kimastrauch an der höchsten Stelle einer kleinen Landzunge einpflanzen, inmitten jahrhundertealter knorriger Bäume.
    Er erreichte die auserwählte Stelle und setzte das Pflänzchen in den vorbereiteten Boden. Danach kehrte er voller Erwartungen heim. „Es ist ein Junge", sagte man ihm. „Zynas Wille ist, daß er Adonor heißen soll."
    „Ein schöner Name." Molin hörte ihn zum erstenmal, aber er gefiel ihm wirklich. Er versuchte, an der lebenden Mauer der Geburtshelfer vorbei zu Mutter und Kind zu gelangen. „Ja, ein schöner Name", bestätigte einer der Helfer kummervoll. „Und dein Sohn wird ihm eines Tages gewiß noch gerecht werden. Aber nun erschrick nicht ..."
    Molin stieß die Leute beiseite und stürmte ins Zimmer. Zyna strahlte ihm entgegen und blickte dann voller Liebe auf das haarige Bündel in ihren Armen, als sei es ein auserwähltes Geschöpf. „Er wird wohl kein Friedensstifter werden können, obwohl ihm ein starkes Kima gewiß ist", sagte sie dabei ohne jegliches Bedauern. „Aber er ist mein Liebstes."
    Molin sah, daß das Neugeborene eine gespaltene Oberlippe hatte.
    Adonor war von kleinem Wuchs und schwächer als andere Kinder seines Alters, aber die Ärzte bestätigten ihm beste Gesundheit. Abgesehen von seinem kleinen Makel.
    Die Ärzte konnten die Eltern jedoch beruhigen. Der kleine Geburtsfehler, den Adonor hatte, ließ sich mit Hilfe der plastischen Chirurgie leicht beheben. Man mußte nur bis zum Alter von vier Jahren warten, bis sich die Kopfform gefestigt hatte, um die Gaumenspalte schließen zu können. Weiter kein Problem. Bis dahin würde er lediglich Sprachstörungen haben.
    Solange aber mußten sich Molin und Zyna mit dem Schicksal ihres Sohnes abfinden. Zyna hatte damit keine Schwierigkeiten. Sie sah weder die gespaltene Lippe, die sowieso von dem üppig wachsenden, buschigen Rothaar verdeckt wurde, und sie hörte nicht die verstümmelten Laute, zu denen Adonor die einfachsten Worte verformte. Wenn sie durch irgendwelche Unbilden der Realität auf den Makel ihres Sohnes hingewiesen wurde, brauchte sie nur seinen Kimastrauch aufzusuchen und war bei dessen Anblick
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