1573 - Grauen im Geisterschloss
eingeschränkt. Erst als wir eine Lücke zwischen zwei Gebäuden erreichten, sahen wir es wieder. Schwach nur zeichneten sich die Mauern des Geisterschlosses ab. Es waren keine Wälle wie bei einer Burg, wir schauten gegen die breite Seite eines Schlosses, das es so gar nicht geben durfte.
Nach einigen Schritten hatten wir die schmale Straße hinter uns gelassen und erreichten die Hauptstraße. Vom Gefühl her war sie für mich sehr wichtig. Zudem lag sie relativ frei, und wir hatten einen guten Blick.
Das Dorf war noch vorhanden. Es stand noch jedes Haus. Nur hatte sich etwas darüber geschoben, und das wirkte wie eine gläserne Kuppel, die jetzt über den Ort gestülpt worden war und ihn von der normalen Welt trennte.
Jenny Holland ging an meiner rechten Seite. Sie konnte immer nur den Kopf schütteln und sprach dabei mit sich selbst. Was sie sagte, verstand ich nicht. Sie konnte es irgendwann nicht mehr für sich behalten und musste es loswerden.
»Das glaubt mir keiner, wenn ich das erzähle. So etwas ist unmöglich, ja, unglaublich.«
»Stimmt.«
»Und was ist mit den Menschen geschehen? Ich will den Teufel ja nicht an die Wand malen, aber hier habe ich das Gefühl, eine Totenstille zu erleben.«
»Stimmt.«
»Ich will es aber nicht wörtlich nehmen, John. Ich will wissen, ob die Leute hier noch leben.«
»Schau nach.«
»Okay.«
Es war kein weiter Weg, um ein Haus zu erreichen. Sie musste auch keinen Vorgarten durchqueren, stand bald vor einer Haustür und probierte, ob sie offen war.
Sie War es. Ohne zu zögern betrat sie das Haus, was ich gar nicht gut fand und schnell zu ihr lief.
Jenny kam mir schon entgegen, und ich sah ihrem Gesicht an, dass etwas Schlimmes passiert wat Fast wäre sie mir in die Arme gelaufen, hielt aber dicht vor mir an.
»John, ich habe sie liegen sehen! In der Küche und im Flur. Drei Erwachsene…«
»Tot?«
»Das weiß ich nicht«, gab sie flüsternd zurück. »Vielleicht sollten wir mal gemeinsam hineingehen.«
Das taten wir auch.
Ich ging diesmal zuerst und sah im Flur eine alte Frau liegen. Sie musste auf der Stelle zusammengebrochen sein und hatte sich am Hinterkopf verletzt, denn unter dem weißen Haar war rotes Blut zu sehen.
In einem Nebenraum lagen die beiden anderen Menschen. Auch unbeweglich. Ein Mann und eine Frau. Sie waren günstiger gefallen, auch wenn sie wie tot auf dem Boden lagen. Hier hatte ein Teppich den Fall gedämpft. Und beide lebten noch, was mich ein wenig aufatmen ließ. Sie waren nur in den Zustand einer tiefen Agonie gefallen.
Ob es die ältere Frau überstehen würde, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls brauchte sie ärztliche Hilfe, und da kam nur Dr. Morton infrage.
Ich erklärte es Jenny Holland, die natürlich einverstanden war, dass wir ihn alarmierten.
»Dann lass uns bei ihm nachschauen«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Viel Hoffnung habe ich nicht. Wahrscheinlich hat es alle Leute hier im Ort erwischt. Nur uns nicht, John. Bei dir habe ich eine Erklärung. Es ist dein Kreuz. Aber bei mir?«
Sie wollte, dass ich ihr eine Antwort gab. Da musste ich jedoch passen.
»Hast du denn nicht wenigstens eine Theorie?«, fragte sie, als wir die Straße überquerten.
»Ich weiß es nicht. Es kann auch sein, dass man dich deshalb verschonte, weil du nicht hierher in den Ort gehörst. Du bist eine Fremde, und ich bin ebenfalls fremd. Ich kenne die genauen Gründe nicht, aber es kann sich hier um eine Abrechnung handeln, bei der wir außen vorstehen. Möglich ist alles.«
»Kann sein.« Sie blieb stehen, bevor wir das Haus des Arztes betraten.
»Noch etwas«, murmelte sie, »es wundert mich auch, dass ich noch keine Krieger oder Bewohner des Schlosses gesehen habe. Auf der Straße sind sie uns begegnet, aber jetzt…«
»Sei froh, dass es so ist«, sagte ich nur. »Wir können noch genug Ärger bekommen.«
Natürlich war die Haustür verschlossen. Da wir auch nichts aus dem Inneren des Hauses hörten, konnten wir keinesfalls beruhigt sein.
Fenster gab es auch im Erdgeschoss. Ich prüfte nach, ob sie alle fest verschlossen waren, und musste leider feststellen, dass dem so war.
Bis Jenny von der Rückseite sprach, wo wir vielleicht eine Chance hatten.
Wir liefen um das Haus herum. Tatsächlich stand die schmale Tür, durch die wir in den Garten gelangt waren, offen.
»Na bitte!« Jenny lachte auf und wollte schon ins Haus stürmen.
Ich hielt sie mit einem schnellen Griff zurück.
»Nicht so eilig. Es könnte
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