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1550 - Die Frau aus der Knochengrube

1550 - Die Frau aus der Knochengrube

Titel: 1550 - Die Frau aus der Knochengrube
Autoren: Jason Dark
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Gewand der Umgebung an.
    Ihr Gesicht glich einer Plastik. Da gab es keine Bewegung. Völlig erstarrte Züge. Farblose Haare, die in der Mitte gescheitelt waren und so steif und starr am Kopf lagen wie Stroh. Ihre Arme hingen zu beiden Seiten des Körpers herab wie Stöcke.
    Sie war da, aber sie glich einer Nebelgestalt oder einem kompakten Schatten.
    Die Schattenfrau eben!
    Rudy Farina war von ihr so fasziniert, dass er seine eigene Situation fast vergaß. Er spürte nicht mehr das kratzige Material des Stricks ah seinem Hals. Die Kehle kam ihm schon jetzt zugeschnürt vor, und es bereitete ihm Mühe, normal Luft zu holen.
    Dennoch dachte Rudy nicht daran, von der Stuhlfläche zu steigen und zuvor den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Er wartete auf das Ende, das für ihn zu einem neuen Anfang werden sollte.
    Die Schattenfrau schwebte noch weiter. Es gab keine Hindernisse für sie. Es sah so aus, als würde sie durch die Grabsteine und die Bäume hindurchschweben.
    Dann hielt sie an Rudy schluckte. Er zwinkerte. Sie war jetzt nahe bei ihm.
    Er bewegte die Lippen, ohne etwas zu sagen. Er atmete nur noch flach und stöhnte leise auf.
    Sie sah so fest aus und trotzdem erinnerte sie ihn an ein Gespenst.
    Etwas, das nicht in diese Welt gehörte.
    »Ich - ich - bin so weit«, brachte er mühsam hervor.
    Sie nickte.
    »Und wie…«
    Die Schattenfrau hatte Rudy auch jetzt gehört. Sie wusste, was sie tun musste.
    Locker hob sie den rechten Arm.
    Es sah aus, als sollte es ein Gruß werden, aber das war es nicht. Ihr Arm fiel nach unten wie eine Schranke.
    Das war für Rudy Farina das Zeichen.
    Er hatte sich schon darauf vorbereitet, wie er den Stuhl zur Seite kippen konnte.
    Genau das tat er jetzt!
    Der Weg war frei. Sein Gewicht zog ihn nach unten. Die Schlinge zog sich zu. Da sie nicht fachmännisch geknüpft worden war, erlebte Rudy Farina ein langes und schreckliches Sterben. Er wurde allmählich stranguliert. Niemand war da, der seinen zuckenden Körper noch hätte aus der Schlinge befreien können.
    Ungerührt schaute die Schattenfrau zu und wandte sich erst ab, als sich der junge Mann nicht mehr bewegte.
    Erst dann war sie zufrieden…
    ***
    Suko stöhnte auf, als er wieder mal vor einer Ampel stoppen musste.
    »Hoffentlich hast du recht«, sagte er.
    »Womit?«, fragte ich.
    »Dass wirklich alles so geschehen ist, wie man es uns sagte.«
    Ich lachte leise. »Dann musst du dich bei Sir James beschweren, denn er hat uns losgeschickt.«
    »Und warum in der Dämmerung?«
    »Weil sie dort gesehen worden ist.« Ich winkte ab. »Aber das weißt du doch alles.«
    »Ja, ja, habe ich gehört. Vorstellen kann ich es mir trotzdem nicht, dass in einer Knochengrube noch jemand leben soll, wenn um ihn herum nur Skelette liegen.«
    »Das haben die Arbeiter aber gesehen.«
    »Und wir müssen in die Grube steigen?«
    »Keine Ahnung. Wir werden uns erst mal umsehen.«
    Der kleine Stau löste sich auf, und Suko konnte wieder Gas geben.
    Der Weg führte uns in den Londoner Südosten, wo man nicht mehr den Eindruck hatte, in einer Großstadt zu sein, denn hier gab es noch viel freies Land, das zum Teil der Stadt gehörte und die deshalb ihre Pläne entsprechend ausgerichtet hatte.
    Es sollte eine neue Straße gebaut werden. Ein Zubringer für die A205.
    Es war nicht einfach gewesen, den Plan durchzudrücken.
    Umweltverbände und Naturschützer hatten ebenso protestiert wie einige Anwohner, die es in dieser relativ unbesiedelten Gegend trotzdem gab.
    Alles hatte nichts gebracht. Der Zubringer wurde gebaut und damit basta.
    Und dann war etwas passiert, was das Bauvorhaben ins Stocken gebracht hatte. Bei Aushubarbeiten war man auf einen unterirdischen Friedhof gestoßen. Man hatte keine Leichen gefunden, sondern jede Menge Skelette.
    Daraufhin waren die Bauarbeiten sofort gestoppt worden. Spezialisten erschienen. Historiker und Archäologen errichteten ein Sperrgebiet, um sich mit dem Fund zu beschäftigen. Doch die Fachleute konnten nicht so schnell herausfinden, wer diese Toten waren und warum man sie hier verscharrt hatte. Jedenfalls war es eine Knochengrube, die ein makabres Bild bot.
    Man hatte sie noch nicht leer geräumt, und so makaber der Fund auch war, er hätte Suko und mich nicht interessiert, wenn da nicht etwas Besonderes geschehen wäre.
    Zeugen hatten behauptet, dass sich zwischen den Skeletten eine seltsame Erscheinung tummelte. Eine Person, die lebte und sich anscheinend dort wohl fühlte. Sie ließ sich nicht fassen, nicht
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