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1509 - Standbild des Grauens

1509 - Standbild des Grauens

Titel: 1509 - Standbild des Grauens
Autoren: Jason Dark
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wo er doch aus Stein ist oder versteinert wurde.«
    Plötzlich erschien in Myrnas Augen ein Leuchten. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie zärtlich er sein kann. So wunderbar, wie ein Liebhaber. Er ist aus Stein, das stimmt, aber er wird es bald nicht mehr sein. Er ist bereits auf dem Weg, wieder zu erwachen. Er kann sich schon bewegen, das hat er mir und den anderen bewiesen.«
    »Aha.« Justine nickte. »Und wann, sagst du, ist er endgültig wieder erwacht?«
    »Ich vermute, dass es noch in dieser Nacht geschehen wird. Oder in der folgenden. Ich bin mir nicht sicher, ob er schon genügend Blut zu sich genommen hat, um den Fluch zu lösen. Sollte das nicht der Fall sein, wird er es sich holen.«
    »Ja, das kann durchaus sein.« Justine schaute ihn wieder an. »Ein Blutdrache, ein Vampir und so etwas wie ein Ahnherr von mir. Aber auch eine Gestalt aus Aibon und jemand, der nichts auf unserer Welt zu suchen hat.«
    »Wie sprichst du von ihm?«
    »Ganz einfach. Wie es sich gehört.«
    »Und?«
    Die blonde Bestie lachte und sagte dann: »Ich kann eben einfach keine anderen Götter neben mir dulden. Das ist alles.«
    »Und was willst du tun?«
    Justine lächelte. »Ich denke, dass ich ihn testen kann. Ich bin gespannt darauf, wie er bei meinem Erscheinen reagiert.«
    »Sei vorsichtig.«
    »Keine Sorge.« Sie winkte lässig ab. »Nur eine Frage habe ich noch. Warum siehst du so aus? Nicht, dass ich etwas gegen nackte Menschen hätte, aber so läuft man einfach nicht herum, auch wenn man in einem Kaff fast am Ende Welt lebt.«
    Die Frage gefiel Myrna nicht. Das war an ihrem Gesicht deutlich abzulesen. Schließlich gab sie doch die Antwort.
    »Ich habe mich ihm so präsentieren wollen, wie es seine Dienerinnen früher getan haben. Ich konnte in Büchern darüber nachlesen. Wenn die Druiden ihre weißen Gewänder ablegten, dann waren sie nackt, und das wollte ich ihm zeigen. Nichts von mir sollte ihm verborgen bleiben.«
    »Ja, danke, dann weiß ich Bescheid.«
    »Willst du noch immer zu ihm?«
    Die Cavallo lächelte kalt. »Das will ich. Und ich will außerdem herausfinden, was mit ihm los ist. Ob er wirklich so mächtig ist oder nur so tut, als wäre er es. Wir beide sind nicht blutleer, wir haben uns fast satt getrunken, und jetzt frage ich mich, ob er sich auch für das Blut in mir interessiert.«
    Myrna verschluckte ihre Antwort.
    »Hat es dir die Sprache verschlagen?«, höhnte die Cavallo.
    »Nein, aber du benimmst dich falsch ihm gegenüber. Du solltest mehr Ehrfurcht und Respekt ihm gegenüber zeigen. Das hat er sich verdient.«
    »So denkst du.« Die Vampirin winkte ab. »Aber ich bin nicht irgendwer, kann ich dir sagen, ich bin…«
    »Der Stein löst sich auf. Es entsteht eine andere Haut«, flüsterte Myrna.
    »Du wirst es erleben. Du wirst nichts dagegen tun können. Er ist bereits beweglich. Er sieht nur aus wie Stein. Und es kann nicht mehr lange dauern, bis er seine mächtigen Schwingen bewegt, abhebt und durch die Lüfte fliegen wird.«
    »Das werden wir sehen«, sagte Justine und setzte sich in Bewegung.
    Sie hatte noch immer ihren Kopf durchgesetzt und war überzeugt, dass sie es auch diesmal schaffte…
    Es war keine fremde Aibon-Welt, die Justine Cavallo umgab, sondern die ganz normale. Sie musste nur den Kopf anheben und zum Himmel schauen. Der dunkelte allmählich ein, denn es hatte sich ein grauer Schleier darüber geschoben, der die Helligkeit verdeckte.
    Justine stellte sich nicht die Frage, ob sie sich innerlich wohl fühlte. Sie hatte eine Aufgabe zu erledigen, und die zog sie durch. Das war sie so gewohnt.
    Die Figur stand dort, wo die Treppe immer schmaler wurde. Praktisch von der letzten Stufe aus schraubte sie sich in die Höhe und wuchs zu einer mächtigen Gestalt an, die nur darauf wartete, aus ihrem versteinerten Zustand befreit zu werden, um sich in den Himmel schwingen zu können. Noch war sie versteinert, noch sah Justine an ihr nicht die geringste Bewegung, und sie konzentrierte sich dabei auf die Augen, die gut zu erkennen waren, weil der Blutdrache seinen Kopf ein wenig nach vorn gesenkt hatte.
    Lebten sie?
    Eine Antwort war schwer zu finden, doch Justine gab die Hoffnung nicht auf, denn dieses Augenpaar sah anders aus als der Körper, dessen Haut eine graugrüne Farbe zeigte.
    Justine schritt die Stufen sehr bedächtig hoch. Auf der vorletzten blieb sie stehen, und es gelang ihr jetzt, die Gestalt besser einzuschätzen, was ihre Größe anging.
    Der Blutdrache war ungefähr
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