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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Autoren: Karl May
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aufwärts, hielten uns aber ganz nahe bei dem Rand der Büsche, um den Bettler nicht aus den Augen zu lassen.
    Er wußte, daß er von der Stadt aus gesehen werden könne, und verhielt sich danach. Ganz langsam humpelte er vorwärts und ruhte sehr oft aus.
    Bald hatten wir den Wald erreicht, welcher die Spitze des Berges umkränzte. Im Schutz desselben bog ich nun nach links hinüber, bis wir uns grad in der Richtung befanden, welche der Krüppel einhielt. Wenn er in derselben verharrte, mußte er an uns vorüberkommen.
    Ich setzte mich in das weiche Moos, und Halef nahm an meiner Seite Platz.
    „Gibt es etwas Bestimmtes, was du jetzt erfahren willst, Sihdi?“ fragte er.
    „Ohne Zweifel.“
    „Was denn?“
    „Ich will wissen, wie sich der Bettler in den Mübarek verwandelt.“
    „So hältst du also an deiner Ansicht fest?“
    „Steif und fest.“
    „Du wirst sehen, daß du dich täuschst.“
    „Das ist möglich, aber ich glaube es nicht. Er wird ganz gewiß hier vorüberkommen. Sobald er nahe ist, verstecken wir uns hinter die Bäume und folgen ihm von weitem.“
    Wir hatten noch einige Minuten zu warten, dann mußten wir uns zurückziehen.
    Er kam.
    Sobald er den Waldesrand erreicht hatte und sich im Schutz der Bäume befand, so daß er von der Stadt aus nicht mehr gesehen werden konnte, blieb er stehen und blickte um sich.
    Diese Umschau hielt er in der Weise eines Menschen, welcher alle Veranlassung hat, vorsichtig zu sein. Er schien sich überzeugt zu haben, daß sich niemand in der Nähe befinde; denn er richtete sich hoch auf und dehnte und reckte sich. Dann drang er noch eine kleine Strecke tiefer in den Wald ein und kroch hinter ein kleines Dickicht. Wir hatten das sehr genau beobachtet. Er konnte ganz gut ohne die Krücken stehen und gehen.
    „Sihdi, du hast vielleicht doch recht“, sagte Halef. „Wollen wir hin?“
    „Nein, wir bleiben hier.“
    „Aber ich denke, du willst ihn beobachten. Er wird weitergehen.“
    „Nein, er wird in dem Dickicht seine Umwandlung vornehmen und dann als Mübarek in die Stadt zurückkehren.“
    „Und ich denke, er wird vollends emporsteigen bis zur Höhe, wo sich ja seine Wohnung befinden soll.“
    „Das wird er nicht tun, weil er sich nicht die Zeit nehmen kann. Er hat es jedenfalls sehr eilig, daß das Gericht zusammentritt. Paß nur auf!“
    Ich zog mein Fernrohr aus und richtete es auf die Stelle, an welcher ich den Kerl vermutete. Richtig! Ich konnte ihn zwar nicht sehen, aber die Zweige bewegten sich. Er stak dahinter.
    Nach ungefähr fünf Minuten trat er hervor – – – als Mübarek.
    „Allah akbar!“ sagte Halef. „Wer hätte gedacht, daß du recht hast, Sihdi!“
    „Ich habe es gedacht. Es gibt Ahnungen, denen man es anmerkt, daß sie sich erfüllen müssen. Dieser Heilige ist ein großer Sünder. Vielleicht gelingt es uns, ihm das zu beweisen.“
    „Er geht wirklich in die Stadt zurück. Wollen wir ihm wieder nach?“
    „Das fällt mir nicht ein. Es gibt ja gar keine bessere Gelegenheit, seine Wohnung und die Ruine zu untersuchen.“
    „Da hast du recht. Also komm! Wir wollen uns beeilen.“
    „Nicht so schnell! Erst gehen wir hin zu der Stelle, an welcher er die Umwandlung vorgenommen hat. Vielleicht können wir da erfahren, wie er das zu bewerkstelligen pflegt.“
    Der Alte war ein Stück am Waldrand hingegangen und trat dann ins Freie hinaus, um zwischen zwei Melonenfeldern nach der Stadt zu gehen.
    Wir begaben uns zu dem Dickicht, fanden jedoch gar nichts. Das Gras und Moos war niedergetreten, aber weiter war nichts mehr zu sehen. Wo hatte er die Krücken?
    „Er kann sie doch nicht verschwinden lassen“, meinte Halef.
    „Er hat sie wohl bei sich.“
    „Da müßte man sie doch sehen.“
    „Hm! Das ist nicht unumgänglich notwendig. Vielleicht sind sie mit Scharnieren versehen, so daß er sie zusammenlegen und unter dem Kaftan tragen kann.“
    „Wäre das nicht beschwerlich für ihn?“
    „Allerdings.“
    „Er könnte sie ja verstecken.“
    „Das ist noch unbequemer. Er müßte allemal, wenn er sich wieder in den Bettler verwandeln wollte, zu dem Versteck zurückkehren. Wenn er sie aber bei sich trägt, kann er die Verwandlung an jedem Ort und zu jeder Zeit vornehmen.“
    „Sihdi, das alles kommt mir so fremd, so unbegreiflich vor, fast wie ein Märchen.“
    „Das glaube ich dir gern. In den großen Städten des Abendlandes kommen noch ganz andere Sachen vor. Da denke ich daran, daß seine Knochen aneinander klappern sollen.
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