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1487 - Die Dämonen-Prinzessin

1487 - Die Dämonen-Prinzessin

Titel: 1487 - Die Dämonen-Prinzessin
Autoren: Jason Dark
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»Und ich wundere mich, dass ich noch so ruhig bin und nicht durchgedreht habe. Es kann daran liegen, dass mich das Leben hart gemacht hat. Ja, das wird es wohl sein. Ich habe lernen müssen, meine wahren Gefühle zu unterdrücken, aber ich werde niemals auf Gerrit verzichten, wenn Sie verstehen.«
    »Das ist mir klar.«
    »Es reicht mir, dass ich keinen Mann mehr habe. Gerrit ist mein Ein und Alles. Holen Sie ihn zurück!« Jetzt schrie sie mich an.
    »Schaffen Sie mir meinen Sohn wieder her! Aber nicht als Leiche, die einem bösen Märchen entwichen ist, sondern als lebendiges Wesen, dem ich meine ganze Kraft und Liebe schenken kann.« Sie holte Luft, wollte noch etwas sagen, aber sie hatte sich übernommen und sank auf ihrem Sitz in sich zusammen.
    Was konnte ich tun?
    Im Moment nichts. Gerrit war verschwunden. In seinem Zimmer war so etwas wie ein Dimensionstor entstanden, das ihn verschluckt hatte, und dieses Tor musste ich öffnen. Erst dann war es mir möglich, ihn wieder zurückzuholen.
    Aber wie?
    Es war müßig, wenn ich mir jetzt darüber Gedanken machte. Andere Dinge hatten Vorrang.
    Ich wartete, bis sich die Frau etwas erholt hatte. Sie putzte sich die Nase, rieb die Augen trocken und hörte meine Frage.
    »Es geht im Prinzip um diese Ophelia, Mrs. Quinn. Sie liest den Kindern die Märchen vor. Das wird bestimmt nicht ohne Terminabsprache ablaufen. Kennen Sie die Orte, an denen sie auftritt?«
    »Nein, die kenne ich nicht.«
    »Schade«, sagte ich enttäuscht. »Es wäre gut gewesen, wenn ich…«
    »Moment«, unterbrach sie mich. »Ich kenne sie nicht auswendig, aber ich kann herausfinden, wo sie auftritt. Es gibt eine Liste, die veröffentlicht wurde.«
    »Das hört sich gut an. Haben Sie diese Liste?«
    »Ja.«
    Endlich ein Lichtblick. Ich war erst mal außen vor und schaute zu, wie sie aufstand. Sie trat an einen schmalen Schrank und zog eine Schublade auf. Dort lagen einige Papiere, in denen sie herumwühlte und endlich das fand, was sie suchte.
    Es war der Ausschnitt aus einer Zeitung, und sie erklärte mir, dass es ein Terminplan war.
    »Das hört sich doch gut an.«
    »Hier, lesen Sie.«
    Es waren die verschiedensten Daten aufgeführt, wo Ophelia ihre Märchen erzählte. Neben den Daten standen auch die entsprechenden Ortschaften, und mich interessierte nur der heutige Tag. Zweimal am Tag trat sie auf.
    Zum einen am Morgen, zum anderen am frühen Abend. Da versammelten sich bestimmt die größeren Kinder.
    »Sie tritt auch heute auf«, murmelte ich.
    »Und wo?« wollte Mrs. Quinn wissen.
    »Nicht mal weit von hier. In einer Schule. Wahrscheinlich im Theaterraum oder der Aula.«
    »Ja, solche Orte mag sie.«
    Ich schaute auf meine Uhr. »Die Zeit ist günstig.« Ein Lächeln huschte über meine Lippen. »Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich schon immer gern Märchen gehört.«
    »Sie wollen hin?«
    »Warum nicht?«
    Lena Quinn trat einen Schritt von mir weg. »Und was ist mit meinem Sohn?« flüsterte sie.
    »Keine Sorge, Mrs. Quinn, den habe ich nicht vergessen, denn manchmal muss man Umwege gehen, um zum Ziel zu gelangen. Daran sollten Sie immer denken.«
    »Nein, ich denke nur an meinen Sohn, und ich will ihn zurückhaben. Wenn nicht, dann weiß ich nicht, was ich tue…«
    ***
    Ophelia erzählte. Sie hatte eine bequeme Sitzhaltung eingenommen und hielt die Augen fast geschlossen. Sie sprach von dem kleinen Gerrit, der seinen Weg in die andere Welt gefunden hatte und nicht mehr in seinem Bett bleiben wollte.
    »Und so«, flüsterte sie, »wurde er von der anderen Welt empfangen…«
    »Ist sie böse?« rief eine Kinderstimme.
    »Das kann man so nicht sagen. Sie ist anders, und wer sie betritt, der lernt auch andere Lebewesen kennen. Es ist eine Welt, die den meisten Menschen verschlossen bleibt, weil sie eben so anders ist. Aber Jungen und Mädchen, die intensiv träumen, die können hin und wieder einen Blick in diese Welt werfen. Gerrit aber betrat sie. Er durchwanderte sie mit langen Schritten und staunenden Augen. Es sah, dass in dieser Welt keine Menschen lebten, wie er sie kannte. Sie war auch nicht hell, sondern rot und feurig. Um ihn herum gab es einen roten Nebel, und die Menschen, die er zu Gesicht bekam, lebten nicht mehr. Aber sie waren nicht tot, sie lebten auf ihre Weise. Und so ging Gerrit weiter. Er wollte jemanden finden, mit dem er sich unterhalten konnte. Er wollte fragen, was mit dieser Welt passiert war, denn er gehörte zu den neugierigen Jungen, die alles genau wissen
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