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1484 - Der Tod eines Nakken

Titel: 1484 - Der Tod eines Nakken
Autoren: Unbekannt
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dieser Gemeinschaft. Was allerdings in den Augen eines Außenstehenden nicht viel zu bedeuten hatte, denn damals bestand die ganze Gemeinde nur aus elf Lokvorthern, von denen drei nicht zählten.
    Im Lauf der Zeit war es besser geworden. Die Sache mit den „Nacktschnecken" verlor schließlich auch einmal ihren Reiz - wie jeder Witz, der allzu oft erzählt wird -, und die Lokvorther wurden es müde, über die Geisteranbeter zu lachen, zumal diese plötzlich die Politik wechselten und nicht länger von Geistem sprachen. Wenigstens nicht offiziell. Selbst die verbohrtesten Fanatiker konnten mittlerweile nicht mehr leugnen, daß es Nakken gab. Natürlich beharrten Masquam, Dreight und Hermyth darauf, daß sie wirklich einen echten Geist gesehen hatten, aber das war eben der Geist eines Nakken gewesen, und da dieser Geist nur von einem lebenden Nakken stammeh konnte, mußte die neugeschaffene Religion sich einige kleine, zeitgemäße Reformen gefallen lassen.
    Sie nannten sich von da an „GP-Freunde" und erklärten, daß „GP" die Abkürzung von „Gastropoden" darstellte. Was die Lokvorther vorübergehend wiederum erheiterte, weil es darauf hindeutete, daß Masquam und Genossen nicht einmal wußten, wie man das Wort „Gastropoden" zu schreiben hatte.
    Die GP-Freunde hielten sich unterdessen bescheiden zurück und zimmerten emsig an einer Neufassung ihrer Glaubenssätze. Das hielt sie über eine ziemlich lange Zeit hinweg in Atem, und das Ergebnis ihrer Bemühungen blieb trotz aller Anstrengungen kläglich und unlogisch.
    So sahen es jedenfalls ihre Gegner und übersahen dabei, daß Glauben und Logik schon seit alters her zwei ganz verschiedene Dinge waren.
    Zur Zeit lief der Standpunkt der GP-Freunde auf folgende Theorie hinaus: Ganz gleich, wie wohl sich die Nakken nach Meinung anderer im Humanidrom auch fühlen mochten, es war doch eine Umgebung, der sie ab und zu entfliehen mußten - vor oder auch erst nach ihrem Dahinscheiden. In jedem Fall brauchten sie Lokvorth. Die Aufgabe der GP-Freunde war es, den Nakken das Gefühl zu vermitteln, daß sie sich auf Lokvorth wohl fühlen konnten und daß sie dort willkommen waren. Die GP-Freunde entiedigten sich dieser selbstgestellten Aufgabe, indem sie sich regelmäßig in ihrem „Tempel" einfanden und sich dort ehrfürchtigen und freundlichen Gefühlen widmeten.
    Sie taten dies in der festen Überzeugung, daß die Statue, die sie noch immer besaßen, irgendwie imstande war, diese Gefühle an die im Humanidrom weilenden Nakken zu übermitteln. Als Gegenleistung erwarteten sie, daß die Nakken ein gutes Wort für ihre Verehrer einlegten, wenn diese einst selbst ins Reich der Geister eingingen.
    Die GP-Freunde glaubten nämlich unerschütterlich daran, daß die Nakken über gute Verbindungen zu diesem Reich der Geister verfügten.
    Die Tatsache, daß es in Lokvorth-Therm trotz all dieser Bemühungen noch immer nicht gerade vor Nakken wimmelte, erklärten sich die GP-Freunde ganz einfach damit, daß die Nakken zu viele andere, negative „Botschaften" aus Lokvorth-Therm empfingen. Ursache dieser Botschaften war nach ihrer Überzeugung die feindliche Einstellung der meisten Lokvorther gegenüber allem, was mit dem Hümanidrom zusammenhing, und gegenüber den „Nacktschnekken" und „Gastropoden", denen solch schmähliche Bezeichnungen natürlich nicht ganz gleichgültig sein konnten.
    So meinten jedenfalls die GP-Freunde. Übermittelt wurden diese negativen Impulse natürlich durch die zweite Statue, die sich irgendwo in der Stadt befmden mußte. Die Ziele der GP-Freunde lauteten dementsprechend, daß sie für mehr Verständnis und Wohlwollen gegenüber den Nakken werben wollten - und daß sie versuchen mußten, die verflixte Figur an sich zu bringen, die all die üblen Meinungen und Gefühle nach „oben" übermittelte.
    Mittlerweile waren es fast vierzig Leute, die sich mit diesen Dingen befaßten, und je geheimer die GP-Freunde alles hielten, was mit ihrem Tempel und ihrem Glauben zusammenhing, desto größer wurde der Zulauf an Interessenten.
    Sogar Kinder kamen nun schon, wenn auch nur heimlich und aus purer Neugier. „Es geht aufwärts!" sagte Jepht zu sich selbst.
    Er stand auf, ergriff den heiligen Besen, humpelte zur Treppe und blickte hinaus.
    Ja, da kamen sie schon: Zehn Mann hoch, und zwischen ihnen der Neue, bis zur Unkenntlichkeit vermummt und mit verbundenen Augen, wie es sich für ein noch nicht voll informiertes Mitglied dieser geheimen Gemeinschaft
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