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144 - Der Flug der Todesrochen

144 - Der Flug der Todesrochen

Titel: 144 - Der Flug der Todesrochen
Autoren: Bernd Frenz
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Nicken ihrerseits gab Yoshiro den Befehl, die Attrappe vorsichtig einzupacken und auf einem bereitstehenden EWAT zu verstauen. Damit keine Fehler passierten, eilte Honeybutt Hardy herbei, die als Transportleiterin fungierte.
    Ohne Aiko näher zu beachten, gesellte sie sich zu den Technos, die gerade damit begannen, den langen Schweif des Rochen aufzurollen. Obwohl sie offiziell immer noch mit Aiko liiert war, hielt sie deutlich Distanz zu ihm. Nicht nur hier in London, wo man ihm allgemein ablehnend gegenüber stand, sondern auch in Amarillo.
    Aiko registrierte natürlich, dass sich das Verhalten seiner Freundin seit dem Vorfall in Tokio verändert hatte. Früher hatte Honeybutt jede sich bietende Gelegenheit genutzt, um sich an ihn zu schmiegen. Nun aber scheute sie seine Nähe und seine Berührungen. Ein immer leiser werdender Teil in ihm bedauerte diese Entwicklung, während ein anderer erkannte, dass es so für sie beide am besten war.
    Yoshiro und die Prime verabschiedeten sich in aller Form.
    Einzig Naoki blieb bei ihrem Sohn zurück.
    Einsamkeit war der Preis, den Aiko für sein elektronisches Gehirn zahlen musste. Seine Mutter hatte das von Anfang an gewusst und die Operation deshalb vor aller Welt verheimlicht.
    Selbst vor Aiko, dem aber nach einiger Zeit auffallen musste, dass etwas nicht mit ihm stimmte.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Naoki, einen qualvollen Zug im Gesicht.
    »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte er sie mit einer der zahlreichen abgespeicherten Floskeln. »Wird schon alles gut gehen.«
    »Du nimmst ein hohes Risiko auf dich. Ich hoffe, du gehst nicht leichtsinnig mit deinem Leben um, nur weil du inzwischen weißt, dass du…« Naoki beendete den Satz abrupt und machte auch keine Anstalten, ihn noch einmal aufzunehmen und fortzuführen.
    »Du kannst ganz beruhigt sein«, versicherte er, und diesmal war es keine Floskel. »Ich verhalte mich so vorsichtig wie möglich. Ich lebe nämlich sehr gern… wenn auch anders als früher.«
    Sie lächelte. Zwar etwas gequält, aber auch irgendwie erleichtert. Aiko begriff in diesem Moment, dass seine Mutter von Zweifeln geplagt wurde. Zweifel darüber, ob es richtig gewesen war, den Gedächtnisinhalt seines absterbenden Gehirns in einen kybernetischen Speicher zu laden.
    »Du hast mir ein zweites Leben geschenkt«, sagte er, überzeugt davon, dass sie genau das von ihm hören wollte.
    »Dafür werde ich dir immer dankbar sein.«
    »Das ist schön.« Die Qual aus ihren Zügen wich, die Erleichterung blieb. Er hatte richtig gehandelt. »Trotzdem mache ich mir Sorgen, wie jede Mutter, die ihren Sohn ins Ungewisse ziehen lässt.«
    Er wollte etwas Beruhigendes antworten, doch sie brachte ihn zum Schweigen, indem sie Zeige- und Mittelfinger der künstlichen Hand auf seine Lippen legte.
    »Sag nichts«, bat sie und nestelte mit der anderen Hand an ihrem derzeit liebsten Schmuckstück, einem tropfenförmigen, mehrfach geschliffenen weißen Kristall, der an einer silbernen Kette um ihren Hals hing. »Wenn jemand die Rochen am Kratersee ausschalten kann, bist du das. Das weiß ich. Trotzdem sollst du wissen, dass in Amarillo eine Heimat auf dich wartet, mit vielen Menschen, die dich so lieben, wie du bist.«
    Obwohl sie bei diesen Worten nicht in Honeybutts Richtung sah, kamen seine Logikroutinen zu dem Schluss, dass seine Mutter ihn darauf vorbereiten wollte, vielleicht schon in Kürze alleine dazustehen.
    Naoki nahm die Finger von seinen Lippen und hauchte ihm einen mütterlichen Kuss auf die Wange. Die Tränen in ihren Augen glitzerten nun mit den Facetten des Kristalls um die Wette, den sie immer noch zwischen Daumen und Zeigefinger rollte. So besorgt hatte Aiko seine Mutter noch nie gesehen.
    Aus irgendeinem Grund schien sie wirklich zu fürchten, dass ihnen ein Abschied für immer bevorstand.
    »Ein Teil von dir wird immer bei mir sein«, sagte sie, beinahe beschwörend. »Bleib trotzdem nicht zu lange fort. In diesen unsicheren Zeiten muss eine Familie fest zusammenhalten. Fester denn je.«
    Er versicherte erneut, nach Beendigung seiner Mission sofort nach Amarillo zurück zu eilen. Danach gab sie endlich Ruhe und ging davon. Vielleicht, um die Tränen, die sie nun nicht mehr zurückhalten konnte, vor ihm zu verbergen.
    Aiko war das nur Recht. Denn obwohl er mit jedem Byte seines Charakterprofils wusste, dass er seine Mutter liebte, fiel es ihm schwer, auf ihre heftigen Emotionen richtig zu reagieren. Honeybutt blieb zum Glück ebenfalls auf
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