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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen
Autoren: Jo Zybell
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ein Hausboot.
    Von dort aus jagten Geschosse in den Nachmittagshimmel; Raketen wie von einem Feuerwerk. Ein Mann hockte hinter der Reling in einem Stuhl und winkte.
    Rulfan blickte durch den alten Feldstecher, durch sein Binocular, wie er selbst das Gerät nannte. »Bei Wudan!«, entfuhr es ihm. »Es ist wirklich und wahrhaftig Hauptmann Haynz von Dysdoor…!«
    ***
    »Muna erwartet dich.« Der kleine Münges und ein kräftig gebauter Schönling namens Tones halfen Suse aus dem Ruderboot und nahmen sie in ihre Mitte. Durch die Flusswiese liefen sie zur Stadtmauer, stiegen die Treppe zu einem der kleinen Tore hinauf und klopften. Ein Wächter öffnete und verschloss das Tor hinter ihnen wieder.
    Über schmale Stufen stiegen Suse und die Männer von der Stadtmauer. Über eine lange Treppe ging es hinauf in die Ruinen und auf den Domplatz.
    Schwarz und bedrohlich ragten die Domtürme in den Sommerhimmel. Suse erzitterte bei ihrem Anblick. Vielleicht lag es aber gar nicht an den schrecklich schwarzen und zerklüfteten Türmen, vielleicht zitterte sie, weil es keinen Ausweg gab: Sie musste vor die abscheuliche Muna treten und ihr die schlechten Nachrichten überbringen, und sie musste das Urteil der Fürchterlichen entgegennehmen.
    Frauen mit Eimern voller Asche verließen den Dom und eilten in die Siedlung. Männer schoben einen Wagen voller Fässer in die Kathedrale. Andere Männer liefen unter schweren Holzlasten gebückt in das uralte Gebäude. Aus einer Fensterlücke in der Seite des Doms quoll Rauch.
    Je näher sie dem Hauptportal kamen, desto schwerer wurden Suses Beine. Sie verlangsamte ihren Schritt. Tones und Münges merkten es und griffen nach Suses Arme. Fast mussten sie die Neunzehnjährige über die Schwelle zerren.
    Es roch nach Feuer und Schwefel im Dom. Auch war es heller als sieben Tage zuvor, als Suse das letzte Mal Bericht erstattet und die furchtbare Muna ihr das Ultimatum gestellt hatte.
    Suse fragte sich, warum sie überhaupt zurückkehrte, wo sie doch wusste, was sie heute zu erwarten hatte. Eine müßige Frage: Sie konnte nicht anders, als zurückkehren. Munas Stimme in ihrem Kopf zwang sie dazu. Selbst dann, wenn die vielen Kilometer zwischen Coellen und Dysdoor sie und die Schreckliche voneinander trennten.
    Es wurde viel umgebaut, seit die furchtbare Muna den Dom vor einem Winter zu ihrem Domizil erklärt hatte. Darum war es auch so hell. Muna hatte viele Fenster an der Ost- und der Südseite zertrümmern und die Fensteröffnungen vergrößern lassen. An der Südseite hatte sie sogar einen Teil der Außenwand einreißen lassen. »Licht«, hatte sie gesagt. »Ich brauche viel Licht, und ihr werdet es mir verschaffen.«
    Nun tauchte die Sommersonne vor allem den hinteren Teil des Doms in Helligkeit. Ihre Strahlen fielen auf und in ein Wasserbecken in der Mitte des hinteren Kirchenschiffs. Es hatte eine Kantenlänge von vier mal fünf Metern, und ein hoher verrosteter Metallzaun umgab es zu zwei Dritteln. Auch das Becken hatte die abscheuliche Muna bauen lassen. Tones und Münges blieben vor dem Zaun stehen, Suse trat an den Beckenrand.
    »Ich höre.« Mit gespreizten Armen und Beinen und auf dem Rücken liegend trieb Muna im heißen Wasser. Suse schloss geblendet die Augen, denn die Haare der Schrecklichen waren von einem weißgoldenen Blond, das die Sonnenstrahlen reflektierte. Auch ihr nackter Körper war schneeweiß.
    »Es geht nicht.« Suses Stimme zitterte. »Ich kann ihn küssen und liebkosen, so viel ich will, er wird nicht krank.«
    Dampf stieg von dem heißen Wasser auf. In den Gewölben unter dem Becken hielten sie ein Feuer in Gang. Den ganzen Tag waren Männer der Siedlung damit beschäftigt, Holz aus Uferwäldern zu schlagen und in den Dom zu schaffen. Der Rauch zog durch ein Loch im Boden und durch ein zerschlagenes Fenster ins Freie ab.
    »Trinkt er noch diesen Tee?« Die Stimme der Schrecklichen dröhnte durch den Dom.
    »Ja, Herrin. Ankela bringt ihm fast täglich davon. Ich hab sie beobachtet…«
    Muna tauchte unter. Die Beine geschlossen und gestreckt, die Arme eng an die Hüften gelegt, bewegte sich ihr weißer Körper wie der einer Schlange oder eines Fisches. Am Grund des Beckens schoss sie in paar Mal hin und her. Suse glaubte Häute zwischen ihren Fingern und Zehen zu erkennen. Aus ihren Seiten unter den Armen stiegen Blasen bis zur Wasseroberfläche empor und zerplatzten unter den Dampfschwaden.
    Ein paar Minuten lang geschah weiter nichts, als dass Muna unter Wasser hin
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