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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen
Autoren: Jo Zybell
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heraus. Die Welle hätte den Welpen ins Meer reißen müssen.
    Ausgeschlossen eigentlich, ihn noch lebend an Bord zu sehen.
    Unmöglich, so schnell zu reagieren, zumal für einen Seekranken.
    Möglich nur für einen Lord. Diese Leute besaßen die paranormale Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken; ein Zehntel einer Sekunde höchstens, aber wozu sie dadurch im Stande sein konnten, hatte Rulfan eben wieder mit eigenen Augen gesehen…
    ***
    Gegen Abend kam Land in Sicht, und kurz nach Sonnenuntergang das Mündungsdelta des Großen Flusses.
    Rulfan ging in einer der zahllosen Buchten dort vor Anker.
    »Was suchste eigentlich hia?«, fragte Paacival, als sie sich auf dem feuchten Oberdeck in ihre Fellmäntel gewickelt zum Schlafen ausstreckten. Dem Grandlord ging es besser, seit sie aus dem offenen Meer in die Mündung gesegelt waren.
    »Warum bisse nich inne Heimat gebliebn?«
    »Ich will nach ein paar Freunden schauen«, sagte Rulfan.
    »Und nach ein paar Feinden.«
    »Wassenfüa Feinde?«
    Rulfan starrte in den Abendhimmel. Wolkenfetzen trieben ins Landesinnere.
    Ein paar Sterne glitzerten. Im Westen leuchtete die Mondsichel hinter einem Dunstschleier. Er schloss die Augen.
    Eine Frauengestalt trat auf seine innere Bühne.
    Schwarzhaarig, schwarzäugig, wild. Die Frau mit dem Namen, der fast wie Aruula klang. Die Frau, deren Worte und deren Duft ihn betörten. Die Frau, die ihm unwiederbringliche Lebenszeit geraubt und ihn zu ihrem Geistessklaven herabgewürdigt hatte. Die Frau, die ihn so fest in ihren magischen Bann geschlagen hatte, dass er seine beiden besten Freunde…
    Sein Atem flog plötzlich, sein Herz schlug ihm im Kehlkopf, Schweiß stand auf seiner Stirn. Er sprang auf und stürzte an die Reling. Presste die Rechte auf seinen Mund, um sein Keuchen zu dämpfen.
    Aunaara…
    Weg mit dem Gesicht! Weg mit der Hitze ihrer Haut, mit dem Geschmack ihrer Lippen, weg mit ihrem Duft…
    Die Nägel seiner Linken bohrten sich in seinen Handballen, er knirschte mit den Zähnen. Am Ufer schüttelten sich die Kronen der Silberweiden im Westwind.
    »So schlimm?« Paacivals Stimme aus der Dunkelheit.
    Rulfan antwortete nicht. Es wäre ihm auch nicht möglich gewesen, ein Wort zu sagen in diesen Momenten. Zu seinen Füßen winselte es. Chira drückte sich an seine Waden. »So schlimme Feinde? Undie suchste?«, fragte der Grandlord.
    Rulfan schwieg. Chira stellte sich auf ihre Hinterläufe und drückte ihre Kehle an sein Knie.
    Der Grandlord stieß ein paar Grunzlaute aus. Ein wenig klangen sie nach Verblüffung, ein wenig aber auch nach Bewunderung. »Bis wie ich«, krächzte er endlich. »Bissen wilda Jäga, bissen wilda Kwiega, suchs Wache. Wache isse gut…«
    Rulfan bückte sich nach dem Welpen. Er nahm ihn auf die Arme, hockte sich auf die Deckplanken, lehnte gegen die Reling und drückte das Tier an seine Brust. Das Gefühl grenzenloser Einsamkeit trat ein wenig in den Hintergrund.
    »Du weißt, dass Krieg herrscht«, sagte er tonlos. »Wir haben euch berichtet, welcher Feind am Kratersee im fernen Osten zum Kampf gerüstet hat. Und dass seine Vorboten Britana bereits erreicht haben, weißt du auch. Was also fragst du noch?«
    Vor dem Mast richtete die hünenhafte Gestalt des Grandlords sich auf. »De Druud hatmia de fjudscha auße Gedäam vonne Wakuda geweissagt.«
    »Und?« Rulfan Stimme klang müde. »Was hat er in den verdammten Därmen über deine Zukunft gesehen?«
    »Alles gut.« Der Grandlord stand auf, kam zu ihm und ging neben ihm in die Hocke. »Zwei Mächtige hatta gesehn. Uns. Und eine staake Woom hatta gesehn, eine Schlang. Doch zwei Mächtige weanse besiegen, zwei staake Helden.« Er grinste.
    »Du unich. Veastehste, Wulfan? Inne gwoße Haus anne gwoße Fluss inne gwoße Feua weanma se töte.«
    Rulfan sah ihn an und erwiderte sein Lächeln. Er tat es einfach so, um mal wieder lächeln zu können. In der Miene des Grandlords jedoch las er dessen inneren Kampf, und seiner gepressten Stimme hörte er die Lüge an…
    Am nächsten Morgen lichtete Rulfan den Anker und hisste das Segel, denn der Wind blies noch immer von Nordwest.
    Stundenlang segelten sie stromaufwärts. Bald ragten rechts und links Ruinen aus dem Uferwald. Brückenpfeiler, Hochhausskelette, von Efeu eingehüllte Fabrikschlote, Mauerreste. Rulfan identifizierte sie rasch als die Ruinen Dysdoors. Der Große Fluss machte einige Biegungen. Ein paar hundert Meter nach einer Brückenruine kam eine Pfahlbausiedlung am Ufer in Sicht, und mit ihr
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