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1429 - Totenkopf-Ballade

1429 - Totenkopf-Ballade

Titel: 1429 - Totenkopf-Ballade
Autoren: Jason Dark
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wecken?«
    »Nein, auf keinen Fall. So müde sind wir auch nicht. Nur eine kurze Regeneration.«
    »Dann kommen Sie gut zu liegen.«
    »Danke.«
    Es gab zwar einen Aufzug – man hatte einen alten Gittertürlift nachgebaut –, aber wir nahmen die Treppe mit den breiten und flachen Stufen, die an ihren Kanten mit Wülsten versehen waren.
    Unsere Zimmer lagen an verschiedenen Seiten des Flurs. Jeder konnte in einen anderen Teil des Gartens schauen.
    »Bis später dann, Alter.«
    »Mach’s gut, John.«
    Ich schloss die Tür auf, betrat das geräumige Zimmer, in dem es auch ohne Klimaanlage wunderbar kühl war, und sah nur das große Bett, das für eine Person viel zu breit war. Ein Teil der hohen Fenster wurde durch Vorhänge verdeckt, sodass nur wenig Sonnenlicht hereinfiel und ein Halbdunkel vorherrschte.
    Das war genau richtig.
    Ich zog meine Schuhe aus und haute mich aufs Bett. Innerhalb weniger Sekunden war ich eingeschlafen. Drei Gläser Pils waren das richtige Schlafmittel gewesen. Aber auch das gehörte zu einem Urlaub.
    ***
    Ich bin in einem falschen Film, dachte Anita Koller, was ich da sehe, kann nicht wahr sein! Das glaube ich einfach nicht. Das ist unmöglich. Hier kann niemand rein.
    Und doch war sie da, diese uralte Frau!
    Anita saß in der Wanne und konnte ihren Blick einfach nicht von dieser unbeweglich dort stehenden Person lösen.
    Nach einigen Sekunden hatte sich Anita Koller wieder so weit gefangen, dass sie in der Lage war, Einzelheiten wahrzunehmen. So uralt war die Person nicht, wie sie beim ersten Hinschauen gewirkt hatte. Es lag wohl an ihrer Kleidung, dass sie sie so eingeschätzt hatte.
    Eine Bluse mit Pumpärmeln und einen knöchellangen Rock trug sie. Über dem Rock war eine Schürze zu sehen. Sie zeigte etwas Farbe in dem ansonsten grauen Einerlei aus Rock und Bluse. Sie war dunkelrot, und auf ihrer Vorderseite waren zwei bauchige Taschen aufgenäht worden.
    Anita Koller saß im Wasser. Über die nackten Schultern rann eine Gänsehaut, die sich sogar bis in die unteren Regionen fortsetzte. Die unheimliche Besucherin hatte sie nicht angegriffen. Trotzdem war sie für sie eine Feindin. Sie passte einfach nicht in die normale Welt und schien der Vergangenheit entstiegen zu sein, wie die Gestalt aus einem Märchen, die sich jetzt mal in der realen Welt umschauen wollte.
    Anita glaubte, dass ihr Haar grau war. So genau war es nicht zu erkennen, weil ein dunkles Kopftuch die Haare verbarg.
    Blieb das Gesicht.
    Es war offen. Es zeigte harte Züge. Die Haut war bleich und erweckte den Eindruck, als wäre sie durchsichtig. Die Augen waren dunkel. Um das Kinn herum wuchsen kleine Haare. Sie verteilten sich ebenfalls über der Oberlippe, wo sie einen Damenbart bildeten.
    Über dem Mund stach die knochige Nase hervor. Auf dem schmalen Rücken konnte kaum eine Fliege sitzen, und zu dieser Nase passten auch die schmalen Lippen. Farblich hoben sie sich von der Gesichtshaut kaum ab.
    Ein kalter Blick traf Anita.
    Die Frau sprach nicht. Sie schaute nur, und je länger sie Anita anblickte, umso mehr verstärkte sich bei der das kalte Gefühl der Angst. Noch war sie nicht angegriffen worden, aber bei dieser Person reichte schon der Blick aus.
    Anita wunderte sich, dass sie es schaffte, tief Luft zu holen. Das brauchte sie. Weg aus diesem verdammten Albtraum, wieder zurück in die Gegenwart. Dass die Person keine Tür gebraucht hatte, um das Bad zu betreten, daran dachte sie in diesem Moment nicht.
    Sie wollte zunächst mal wissen, ob diese Person auch reden konnte wie ein normaler Mensch.
    »Wer bist du?«
    Es blieb still.
    Anita Koller gab nicht auf. Das war nie ihre Art gewesen. Und so stellte sie die nächste Frage.
    »Wo kommst du her?«
    Wieder keine Antwort. Doch es veränderte sich etwas, denn die Unbekannte setzte sich in Bewegung. Anita hätte sich verdammt gefreut, wenn sie kehrtgemacht hätte und wieder durch den Spiegel verschwunden wäre. Leider tat sie das nicht, denn ihr neues Ziel war die geräumige Wanne.
    Kein Geräusch war zu hören. Die Fremde schlich oder schwebte über den gefliesten Boden, und Anita fragte sich, wie es jemand schaffen konnte, sich so lautlos zu bewegen und dabei noch einen Raum auf genau diese Art und Weise zu betreten.
    Das war ihr ein Rätsel. Nur ließ man ihr keine Zeit, über eine Erklärung nachzudenken, denn die Unbekannte hatte bereits den unteren Bereich der Wanne erreicht.
    Dort stoppte sie.
    Und wieder hörte Anita nichts. Kein Atemgeräusch. Die Lippen
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