Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1383 - Hexenfriedhof

1383 - Hexenfriedhof

Titel: 1383 - Hexenfriedhof
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
beiden Hälften des Vorhangs zur Seite, und Licht sickerte in den Raum.
    »Ja, das ist gut. Und jetzt komm bitte zu mir. Nimm dir den Stuhl und setz dich.«
    »Gern.«
    Lucy versuchte, nicht zu laut aufzutreten. Der alte Holzboden beschwerte sich, indem er knarzte, wenn er zu viel Druck bekam, und genau das wollte die jüngere Frau nicht.
    Sie zog den Stuhl dichter an das Bett heran und nahm Platz. Auch das Lächeln auf dem Gesicht konnte die Besorgnis nicht ganz verschwinden lassen, denn alle wussten, was mit Elvira los war.
    Sehr lange hatte sie gelebt, fast neunzig Jahre, doch nun war es vorbei. Irgendwann gab der Körper einfach auf, und so war es auch bei ihr.
    Die beiden vom Alter her so unterschiedlichen Frauen schauten sich über eine längere Zeit hinweg an, ohne ein Wort zu sagen. Lucy war eine mädchenhafte Person. Ein rundes Gesicht, umgeben von rotblonden Locken. Zahlreiche Sommersprossen auf der Haut, eine kleine gerade Nase, ein kleiner Kussmund. Helle Augen, in denen jetzt die Sorge um Elvira stand, denn alle liebten sie wie eine Mutter.
    Lucy entdeckte das blutige Tuch in der Hand der Sterbenden und entzog es ihr.
    »Nein, lass, ich…«
    »Keine Sorge, ich hole dir ein neues.«
    »Danke, du bist lieb.«
    Lucy seufzte. »Wenn ich doch mehr für dich tun könnte… Dann wäre mir wohler.«
    Der Blick der Todkranken klärte sich. »Meine Liebe, du kannst etwas für mich tun, bevor ich mich von dieser Welt verabschiede.«
    »Nein, du bleibst uns noch erhalten. Sag das nicht. Wie werden die Kräuter sammeln und daraus einen Sud brauen, der dir…«
    »Nein, Lucy, nein. Es ist zu spät. Das musst du begreifen. Du kannst mich nicht zurückhalten, niemand kann das. Damit musst du dich abfinden, denn auch ich habe mich damit abgefunden.«
    »Aber…«
    »Nein, kein Aber.« Elvira lächelte leicht. »So musst du das sehen, meine Liebe. Jeder Sterbende hat das Recht auf einen Nachlass, auf ein Testament, verstehst du?«
    »Ja, das begreife ich.«
    Elvira legte eine Pause ein. Sie musste sich erst wieder erholen, um weitersprechen zu können. Dann sagte sie: »Ich habe Zeit gehabt und nachgedacht, denn auch ich habe ein Erbe zu vergeben. Es ist kein Geld, es sind auch sonst keine irdischen Güter. Es ist ein bestimmtes Wissen und eine Kraft. Nun habe ich lange überlegt, an wen ich beides weitergeben soll. Ich kenne euch ja, ich weiß, wie ihr zu mir steht, doch ich konnte mich nicht entscheiden und dabei ein gutes Gewissen haben. Ich möchte mein Erbe auch nicht vergeuden, das wirst du ebenfalls verstehen, und so habe ich sehr lange überlegt und bin zu einem hoffentlich richtigen Entschluss gekommen. Ich werde mein Erbe an keinem von euch weitergeben.«
    Lucy, die steif wie ein Wachtposten auf dem Stuhl saß, sagte nichts. Sie schaute der alten Frau ins Gesicht und wartete darauf, dass sie mit ihrer Erklärung fortfuhr, doch Elvira sagte nur einen Satz.
    »Sei nicht traurig.«
    »Das bin ich nicht.«
    »Dann ist es gut. Und es ist einzig und allein meine Entscheidung. Ich habe mich lange damit herumgequält, ich habe Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen und bin deshalb zu folgendem Ergebnis gekommen. Mein Erbe werde ich an keinen von euch weiterreichen, sondern an eine Person, die in gewissen Kreisen sehr bekannt ist und auch ein Leben in der Öffentlichkeit führt, was uns leider verwehrt wurde. Diese Person gehört nicht direkt zu uns, obwohl sie uns schon sehr nahe steht.«
    Lucy nickte. »Wenn du dir das so ausgedacht hast, dann soll es auch so sein. Wie heißt die Person denn?«
    »Jane Colins!«
    ***
    Auch jetzt bewegte sich Lucy nicht. Mit in den Schoß gelegten Händen blieb sie wie eine kreuzbrave Schülerin sitzen und zeigte mit keiner Reaktion an, ob sie überrascht war oder nicht.
    »Hast du gehört?«
    »Ja.«
    »Was sagst du dazu?«
    »Ich kenne Jane Collins nicht.«
    »Das weiß ich. Aber du hast von ihr gehört, Kind. Wir alle haben von ihr gehört – oder?«
    Lucy nickte. »Das stimmt. Der Name ist mir alles andere als unbekannt. Aber ich habe noch nie mit ihr zu tun gehabt. Geht Jane Collins nicht ihren eigenen Weg? Kann man sie überhaupt als eine der unsrigen bezeichnen. Ich habe da mein Zweifel. Ich glaube nicht, dass sie in unseren Kreis passen würde. Sie ist zu sehr eine Einzelgängerin und sieht sich selbst bestimmt nicht als Hexe.«
    »So denke ich auch, Lucy. Trotzdem gehört sie irgendwie zu uns, denn in ihr sind noch die latenten Kräfte vorhanden. Sie kann sie nur nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher