1360 - Abschied der Vironauten
Beine brachten. Ringsum leuchteten die Wände eines Energieschirms, und durch die immaterielle, festgefügte Trennschicht sah er Koden Free. „Er hat uns alle betrogen", summte einer seiner gut zwanzig Mitgefangenen mutlos.
Salaam Siin achtete nicht darauf. In seinem Innern herrschte Aufruhr. Hatte er es nicht geahnt? Aber was geschah hier tatsächlich? Welchen Vorteil versprach sich der verstümmelte Leiter der Hagen Geen davon, seine Führungsmannschaft festzusetzen?
Sekunden später wurde ihm die Antwort offenbar.
Eine geschwänzte, hohlrückige Gestalt trat an die Seite Koden Frees. „Es hat geklappt", schnarrte sie auf sothalk. „Nun sind die fähigsten Sänger Mardakaans in meiner Hand.
Ich bin mit dir sehr zufrieden, Koden Free."
Salaam Siin stieß ein paar zornige Laute aus, doch er fühlte, wie die psionische Komponente seines Gesangs von der Schutzschirmwand reflektiert wurde. Sie hatten keine Chance. Vorläufig führte kein Weg aus diesem Gefängnis heraus. Der Transmitter hätte ihn mißtrauisch machen müssen, das wußte Salaam Siin nun.
Denn vor ihm, nur ein paar Meter entfernt, stand neben Koden Free der Singuva. In seinem Knochengesicht fand Salaam Siin nichts als hämische Freude - und der Singuva hatte allen Grund dazu.
Nun ist alles aus, dachte der Meistersinger. Ihr Großen Sänger! Wenn es euch tatsächlich gibt, so gewährt mir Hilfe. „Verteilt sie auf die Gefängniszellen!" befahl indessen der Singuva „Und du, Koden Free, haftest mir persönlich dafür, daß nicht einer dieser Aufrührer gegen die Ordnung entkommt."
Salaam Siin fühlte sich von Prallfeldern vorwärts gestoßen. Er wurde rasch von seinen Mitgefangenen getrennt. Hinter ihm gingen zwei Pterus mit Fesselprojektoren und schlugen einen Weg zu nahe gelegenen Räumlichkeiten ein. Sie öffneten eine der gesicherten Türen am Korridor. Dahinter kam düsteres Zwielicht zum Vorschein, und Salaam Siin fand sich im Augenblick darauf in einer niedrigen, mit rostigem Eisen ausgekleideten Zelle wieder. „Endlich bekomme ich Gesellschaft", sang da eine spröde Stimme, der man die mangelnde Übung anhörte.
Aber er kannte diese Stimme - der Meistersinger drehte sich langsam um. „Graucum ..."
„Ich bin es, ja."
Sein Mitgefangener war der ehemalige Herr des Planeten Mardakaan, ein Panish Panisha und Ex-Vertrauter Ijarkors. „So treffen wir uns wieder, Graucum. Sind wir noch Feinde?"
*
Vironauten: Heinders liebte Musik. Er brachte seine Sammlung, die unter anderem Kompositionen der bluesschen Meister Schlüüt und So'on, die großen Terraner Beethoven und Teano Cascal, volkstümliche Sonette von Ferrol und anderes enthielt, an Bord des EXPLORER-Segments1099. Zu seinem Leidwesen teilte niemand die Begeisterung für jegliches musikalische Erlebnis. Er versuchte sich auch als Hobbykomponist: Wer immer eines seiner Werke hörte, zeigte sich beeindruckt, hatte die Melodie aber Sekunden später vergessen.
Er sah die Wunder Estartus. Bald schon trennte er sich mit ein paar flüchtig Bekannten vom restlichen EXPLORER-Verbund und schlug eigene Wege ein. Die Begeisterung hielt viele Jahre an. Fernweh ist Sternweh, hieß der Slogan, der ihn oft bis in den Schlaf verfolgte.
Siebzehn Jahre nach dem Aufbruch der Vironauten war er es leid. Er traf einen Sänger von Ophal namens Salaam Siin und sah an dessen Beispiel, daß man musikalische Neigungen und Verantwortung sehr wohl miteinander verknüpfen konnte.
Im Februar des Jahres 447 NGZ erging ein Ruf der EXPLORER-Seg1 an sie. Das Psionische Netz stand kurz vor dem Zusammenbruch, hieß es, und man solle sich am Treffpunkt Eden-Nova zusammenfinden.
Als Termin stand der 31. Juli. Bis dahin blieb viel Zeit. „Wir müssen so viele andere informieren, wie wir nur können", entschied Heinders.
Die anderen gaben ihm recht. „Achtzehn Jahre sind genug", sagten sie. „Wir müssen uns zu Hause unseren Pflichten stellen."
Wie diese Pflichten konkret aussahen, wußte keiner von ihnen. Doch es war den Sternenbummlern von der EX1099 gleich; es gab wieder ein Ziel, und das Ziel hieß Eden-Nova.
Der Begriff hatte etwas Magisches, fand Heinders. Und er suchte seine Kabine auf, um mit Hilfe ausgeklügelter Programme eine Hymne auf diesen Treffpunkt zu komponieren. „Was hilft's!" gab er schließlich auf. Niemand würde hinhören, weil in diesem Fall die Realität mehr herzugeben schien.
4.
Als er von seiner Unterkunft aus eine Verbindung zum nächsten Info-Knoten der Netzgänger
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