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127 - Das Aruula-Projekt

127 - Das Aruula-Projekt

Titel: 127 - Das Aruula-Projekt
Autoren: Christian Montillon
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dazu, ihre Gedanken zu ordnen. Es zumindest zu versuchen.
    Verwirrt betrachtete sie die öde Gegend, in der sie sich befand. Wie war sie hierher gelangt? Alles hier schien ihr unbekannt. Ihr Blick reichte weit, doch außer einer Gruppe verkrüppelter Bäume in der Nähe gab es kaum Fixpunkte, auf die das Auge sich konzentrieren konnte.
    Wieder fragte sie sich, was mit Maddrax geschehen sein mochte. Sicher hatte er sie nicht freiwillig zurückgelassen…
    ihre Gedanken drehten sich im Kreis.
    Doch wieder war es ihr nicht vergönnt, Atem zu schöpfen und über ihre Situation zu reflektieren: Jemand kam auf sie zu.
    Diesmal bemerkte sie ihn frühzeitig und konnte sich auf seine Ankunft einstellen. Denn weiter fortzulaufen war keine Lösung des Problems.
    Sie hoffte nur, dass der Neuankömmling nicht ebenso feindlich gegen sie eingestellt war wie der Nosfera. Es schien nicht so; er ging mit langsamen, gemessenen Schritten, als hätte er alle Zeit der Welt.
    Vorsichtshalber wischte sie eines der Messer an der Kleidung des Toten ab und steckte es griffbereit in ihren rechten Stiefel. Sie wollte gewappnet sein. Je näher er kam, desto mehr Details des Fremden konnte sie erkennen. Es handelte sich um einen hochgewachsenen Mann mit langen, ungebändigten schwarzen Haaren, die ihm weit über die Schultern fielen. Ein breiter Brustkorb und äußerst muskulöse Arme zeichneten ihn aus.
    »Endlich!«, rief er schon von weitem. »Endlich treffe ich auf einen normalen Menschen…« Dann entdeckte er den Toten zu ihren Füßen. »… und einen Nosfera, wie es aussieht. Ist er tot?«
    Er fragte es in fast beiläufigem Ton; das Schicksal eines Blutsäufers schien ihn nicht sonderlich zu berühren.
    »Er hat mich angegriffen«, entgegnete Aruula. »Jetzt ist er bei Orguudoo.«
    »Ah.« Der Mann bliebstehen. »Dann bist du eine Kriegerin?«
    Aruula ging nicht darauf ein. »Erst einmal will ich wissen, wer du bist. Und was du von mir willst.«
    Er kam bis auf wenige Meter heran. »Mein Name ist Schall und Rauch. Ich wandere durch die Welt«, sagte er rätselhaft.
    »Unsinn«,zischte Aruula. »Niemand wandert ziellos einfach so herum. Jedenfalls nicht allein.«
    »Ich brauche kein Ziel«, entgegnete er. »Wenn ich einen Platz zum Schlafen suche, dann biete ich neue Nachrichten als Bezahlung, denn ich komme weit herum und weiß vieles. Nachrichten und Geschichten sind eine Ware, die überall gerne eingetauscht wird.«
    »Dann bist du ein Truveer?« Sie hatte schon Vertreter dieser Zunft getroffen: Barden, die sich ihr Brot mit Bänkelliedern verdienten, die sie in Kneipen und auf Marktplätzen zum Besten gaben, Er lachte. »Das trifft es ganz gut. Nur singen kann ich nicht, und ich verkaufe meine Informationen auch nicht in Versen.«
    »Du weißt also viel, ja?«, fragte Aruula. »Dann sage mir, wo wir hier sind.«
    »Eine seltsame Frage. Aber sie passt zu dir.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts außer dem, was ich gesagt habe.«
    Als er keine Anstalten machte, sich näher zu erklären, ergriff Aruula erneut das Wort. »Kannst du mir Auskunft geben oder nicht?«
    »Natürlich kann ich das. Ich sagte es dir bereits: Ich weiß vieles.« Er fuhr sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare und schüttelte leicht den Kopf, als könne er nicht verstehen, weshalb Aruula nachhakte.
    Sein Verhalten verwirrte sie. War der Fremde ohne Namen nicht in der Lage, ihr konkrete Antworten zu geben – oder wollte er es nicht?
    »Was sagst du zu dem Leuchten dort hinter den Bäumen?«
    Der unvermittelte Themenwechsel verblüffte Aruula.
    »Welches Leuchten?«, fragte sie, schaute aber gleichzeitig in die Richtung, in die der Langhaarige mit einem leicht verwachsenen Zeigefinger deutete.
    Die Baumgruppe nicht weit entfernt war von einem grünen Lichtschimmer umgeben. Das Phänomen weckte undeutliche Erinnerungen in ihr, doch so sehr sie auch grübelte, sie konnte kein konkretes Bild davon gewinnen. Auch war sie sicher, dass noch vor wenigen Minuten kein Leuchten zu sehen gewesen war.
    »Was ist das?«, fragte sie den Reisenden.
    »Beantworte zuerst meine Frage: Was sagst du dazu? Es ist heutzutage ein guter Test, Leute nach dem Leuchten zu fragen. Diejenigen, die sich auskennen, wissen mehr darüber. Ja, man könnte sogar sagen, an ihm scheiden sich die Geister.« Er kicherte. »Ich habe lange darüber nachgedacht, alle Wesen in zwei Gruppen einzuteilen: diejenigen, die mehr über das grüne Licht wissen, und diejenigen, die nicht wichtig sind.
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