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127 - Das Aruula-Projekt

127 - Das Aruula-Projekt

Titel: 127 - Das Aruula-Projekt
Autoren: Christian Montillon
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einem dieser Träume, in denen man vor einem Feind flieht, aber immer nur auf der Stelle rennt.
    Wären nicht Landmarken wie Felsen, Büsche oder Bäume gewesen, die sie hin und wieder passierte, wäre sie nicht sicher gewesen, ob es sich nicht ganz genauso verhielt.
    Ihre Umgebung änderte sich nicht wesentlich. Von Minute zu Minute befürchtete sie mehr, dass sie aus eigener Kraft nicht von hier wegkommen würde. Wenn Maddrax sie nicht bald fand, war sie verloren.
    Ob Spiegelbild wieder erscheinen würde, wenn sie erneut eine Wasserfläche erreichte?
    Der Gedanke allein genügte, um den Dämon zu wecken.
    »Ich bin immer bei dir«, sagte Spiegelbilds Stimme, doch sie klang nicht neben, sondern in ihr auf. »Denn ich bin ein Teil von dir.«
    »Du gehörst nicht zu mir«, widersprach Aruula und presste sich die Fäuste auf die Ohren.
    »Du nennst mich Spiegelbild«, sprach die Stimme weiter, »aber das ist ein unpassendes Wort. Vergleiche mich mit deinem Schatten und du bist näher an der Wahrheit.«
    Aruula löste die Fäuste von ihren Ohren. »Du bist nicht mein Schatten.«
    »Ich sagte, dann bist du näher an der Wahrheit. Selbstverständlich ist es nicht die Wahrheit selbst.«
    »Ich nenne dich Spiegelbild, solange ich will«, beharrte Aruula trotzig.
    »Tu, was immer du möchtest«, spottete die Stimme in ihr.
    »Du wirst mich wiedersehen, wenn die Zeit gekommen ist.«
    Aruula antwortete nicht. Stumm lief sie weiter, stur einen Fuß vor den anderen setzend.
    Dann änderte sich endlich etwas in der eintönigen Landschaft. Ein Riss zog sich quer hindurch – eine Schlucht!
    Aruula sah sie schon von weitem, dennoch marschierte sie weiter, denn sie wollte nicht wahrhaben, dass ihr Weg dort zu Ende sein sollte.
    Ihr Weg? Sie war ohne jedes Ziel losgelaufen, einfach irgendwohin, nur weg von dem kleinen See, in dem ihr eigener Dämon hauste.
    Zwei Stunden später stand sie am Rand des Abgrunds und blickte hinunter. Jeder Gedanke daran, die mehr als zwanzig Schritt durchmessende Schlucht zu überqueren, war von vornherein sinnlos. Die Felswand fiel vor ihren Füßen fast senkrecht nach unten ab, ohne ausreichende Vorsprünge, die einen sicheren Halt garantiert oder einen Abstieg auch nur auf irgendeine verwegene Weise ermöglicht hätten.
    Aruula hob einen Stein auf und warf ihn in die Tiefe. Sie sah zu, wie er kleiner und kleiner wurde, bis sie ihn nicht mehr wahrnehmen konnte. Es war zu tief, als dass sie noch einen Aufprall hätte hören können. Oder doch? War da nicht eben ein Geräusch in der Tiefe gewesen, leise und dumpf widerhallend?
    Verärgert und frustriert setzte sie sich auf den Boden, nicht zu nahe am Abgrund. Obwohl sie nach den sich förmlich überschlagenden Ereignissen seit mehreren Stunden auf keinen weiteren Angreifer getroffen war, blieb sie weiterhin vorsichtig.
    »Was soll ich bloß tun?«, murmelte sie, und dann, lauter:
    »Hilf mir, mächtiger Wudan! Was soll Aruula tun?«
    »Aruula tun… ruula tun… ula tun…« , hallte es aus der Tiefe wider.
    Beinahe fühlte sie sich wohl, umgeben vom Hall ihrer eigenen Stimme. Es erinnerte sie an vorhin, an die Zeit am Tümpel, als der süße Wahnsinn so nahe gewesen war, der alles Nachdenken und alle Pein beenden konnte.
    Vielleicht war es doch besser, zurück zu gehen…
    Entsetzt hielt Aruula inne und versuchte ihre Gedanken aus dem Strudel zu lösen, in den sie schon wieder hineingeraten war.
    »Es ist dein Name, nicht wahr?«, fragte plötzlich eine Stimme neben ihr, und sie erkannte den Klang sofort wieder.
    »Was tust du hier?«, fragte sie den hochgewachsenen Schwarzhaarigen, der sich ihr nur als Reisender vorgestellt hatte.
    »Ich wollte die Gegend verlassen. Weiterziehen und diesem ungastlichen Ort den Rücken kehren.« Nachdenklich sah er Aruula an. »Wie du selbst auch, scheint mir. Aber wohin man auch geht, überall trifft man auf… wie soll ich es sagen… Hindernisse.«
    »Überall?«, fragte Aruula skeptisch. »Das kann nicht sein, denn wie sollten wir –«
    »Wie wir hierher gekommen sind?« Er lachte und verzog die Lippen auf undeutbare Weise. »Nun, Aruula, ich war nicht wirklich überall. Irgendwo muss es freilich einen Weg geben, der hierher führt. Und wohl auch einen, der es Reisenden wie uns ermöglicht, wieder von hier wegzukommen.«
    »Du solltest besser über deine Worte nachdenken«, meinte Aruula.
    »Ich rede so, wie es mir gefällt. Wenn ich überall sagen möchte, dann tue ich es.«
    »Also bist du ein Lügner.«
    »Schon
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