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1221 - Geschäft mit der Angst

1221 - Geschäft mit der Angst

Titel: 1221 - Geschäft mit der Angst
Autoren: Jason Dark
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den Fluren zweigten die Türen zu den einzelnen Zimmern ab.
    Die Küche war der größte Raum, der zugleich auch als Versammlungsort diente. Der Tisch war so groß, dass alle WG-Mitglieder daran genügend Platz hatten und auch nicht zu eng saßen, wenn sie gemeinsam aßen oder sich unterhielten.
    Lisa ließ Brian vorgehen. Er betrat die Küche noch nicht sofort, obwohl sie hell erleuchtet war und er sich nicht vor der Dunkelheit fürchten musste.
    Er schaute nur suchend in die Küche hinein. Wahrscheinlich hielt er nach Ratten Ausschau, vor denen er eine irre Angst hatte. Aber die Tiere waren nicht da.
    Lisa schob ihn vor und ließ ihn erst los, als er sich auf seinen Stuhl gesetzt hatte. Auf dem Tisch lag eine abwaschbare Decke. Auf den weißen Untergrund waren knallrote Erdbeeren gedruckt worden, die Brian anschaute, als er in seiner geduckten Haltung dort saß.
    »Tee, Brian?«
    »Ist mir egal.«
    »Dann ja.«
    Lisa hatte Küchendienst und aufgeräumt. In der Kanne befand sich noch etwas von dem Getränk, das zwar kalt geworden war, aber dennoch bei dieser Wärme schmeckte. Da war es genau das Richtige, um auch einen großen Durst zu löschen.
    Lisa verteilte den Tee in zwei hohe Tassen und stellte eine vor Brian hin.
    »Danke.«
    »Nichts zu danken.«
    Er umfasste die Tasse mit beiden Händen und führte sie zum Mund. Sein Blick glitt dabei leer über den Tisch hinweg. Er wirkte wie jemand, der mit seinen Gedanken ganz woanders war, nur nicht in der Realität.
    Lisa Farrango war keine Psychologin, aber sie wusste, wie man einen Menschen behandeln musste, der unter starkem Druck leidet. Sie wollte ihn zunächst in Ruhe lassen, damit er einigermaßen mit sich selbst zurechtkam. Erst dann würde sie ihm Fragen stellen, aber das hatte alles noch Zeit.
    Er schlürfte den Tee und beschwerte sich auch nicht über das Licht und das offene Fenster. Das zweite ließ Lisa geschlossen.
    Es wehte auch so genug Wind in die Küche. Abgekühlt hatte er sich nur wenig, doch bei dieser Hitze tat in der Nacht schon das kleinste Lüftchen gut, das jetzt über den Tisch hinwegstrich und auch ihre Gesichter erwischte.
    Lisa hatte ebenfalls Tee getrunken. Er erfrischte sie, und über ihre nackten Arme rann sogar eine Gänsehaut. Sie trug ein rotes eng anliegendes Hemd ohne Ärmel und eine helle Radlerhose. Aus ihren dunklen Augen schaute sie über die Tischplatte hinweg auf Brian Watson, dessen halblange Haare wirr um seinen Kopf abstanden. Sie waren dunkelblond, aber jetzt sahen sie irgendwie grau aus, als hätte sich seine Gemütsverfassung auf sie niedergeschlagen.
    »He, Brian!«
    »Ja.«
    »Schau mich an!«
    »Warum?«
    »Weil ich in dein Gesicht und in deine Augen sehen möchte. Ist das zu viel verlangt?«
    »Ich will aber nicht.«
    »Dann bist du dumm, denn ich möchte dir helfen. Das ist alles. Mehr nicht.«
    »Mir kann keiner helfen.«
    »Hör auf mit dem Mist. Das sagen alle. Aber ich glaube dir nicht, mein Freund. Nein, ich kann und will nicht glauben, dass dir keiner helfen kann.«
    Brian schob die Tasse zur Seite. »Ich habe sie doch gesehen, Lisa. Da kannst du mir sagen, was du willst. Ich habe sie genau gesehen…«
    »Wen?«
    »Die Ratten!«, schrie er.
    Lisa befürchtete, dass er aufspringen würde, aber er blieb sitzen. Brian zitterte wie verrückt. Ein Anfall hatte ihn überrollt, und das Gesicht zeigte plötzlich einen Ausdruck, den Lisa kaum beschreiben konnte. Außerdem hatte sie noch nie eine so große Angst in den Augen eines Menschen gesehen wie jetzt bei Brian Watson. Er litt wahnsinnig darunter. Er steckte in einer Seelenfalle, aber genau deswegen hatte er sich in eine Therapie begeben, um seine Angst loszuwerden. Nur hatten diese Sitzungen bei ihm nicht angeschlagen. Die Angst war noch stärker geworden und auch konkreter, wenn es darum ging, sie beschreiben zu lassen.
    »Es sind keine Ratten hier!«
    Lisa hatte in dieser einen kurzen Pause gesprochen. Sie freute sich darüber, dass Brian eine Pause einlegte und sich nicht wieder aufregte. Dafür lächelte er, was Lisa in seiner Lage ebenfalls unnatürlich vorkam.
    »Was verstehst du schon von Ratten? Du siehst sie nicht. Du kannst sie gar nicht sehen. Ich sehe sie, verstehst du? Nur ich allein. Und wenn ich dir sage, dass sie da sind, dann lüge ich nicht. Sie sind überall. Sie verfolgen mich. Ich kann hingehen, wo ich will. Ich sehe sie überdeutlich.«
    Lisa wusste jetzt, dass es keinen Sinn hatte, Brian zu widersprechen. Es konnte besser sein, wenn sie
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