Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1212 - Niemand hört die Schreie

1212 - Niemand hört die Schreie

Titel: 1212 - Niemand hört die Schreie
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
brauche, lasse ich es Sie wissen.«
    »Wovor fürchten Sie sich?«
    »Ich fürchte mich nicht.«
    »Doch. Es ist keine tiefe Furcht. Aber etwas passt Ihnen nicht und ist aus dem Rahmen gelaufen. Keine Sorge, ich habe in meinem Leben schon mehr als einen Toten gesehen und…«
    »Ich möchte es aber nicht, Mr. Sinclair. Es ist mein letztes Wort. Ich lasse mich von Ihnen auch nicht zwingen. Der Sarg bleibt zu, und damit basta.«
    Das kam einem indirekten Rauswurf gleich. Auch ich musste mich an die Regeln halten und konnte Betty Florman nicht zwingen, den Sarg zu öffnen. Okay, ich hätte es natürlich gekonnt, aber es lag mir nicht, die eigene Stärke so hart unter Beweis zu stellen.
    »Nun ja«, sagte ich, »es ist eben nur ein Versuch gewesen, und Sie werden mir auch sicherlich nicht sagen, wie es jetzt mit Ihnen und der Person im Sarg bestellt ist…«
    »Darüber muss ich erst selbst noch nachdenken, Mr. Sinclair.«
    »Denken Sie nicht zu lange nach.«
    Betty Florman zuckte nur mit den Schultern. Für mich hatte sie es faustdick hinter den Ohren. Sie war anders als sie sich gab. Um das herauszufinden, hätte ich nicht mal Psychologe zu sein müssen. Das verriet mir meine Menschenkenntnis, aber es kamen noch bessere Zeiten für mich, das stand fest.
    Betty Florman traf Anstalten, sich zu erheben und war schon halb von der Couch aufgestanden, als es passierte. Es warf auch meine Pläne über den Haufen, denn ich hatte vorgehabt, offiziell zu verschwinden, aber inoffiziell wieder heimlich zurückzukehren und in der unmittelbaren Nähe des Hauses zu bleiben.
    Beide hörten wir den schrecklichen und wütend klingenden Schrei. Er war direkt aus dem Sarg gedrungen!
    ***
    Der Schrei klang laut und war trotzdem nicht so laut. Er wurde vom Sargdeckel gedämpft, aber es gab für mich keinen Zweifel, dass die angeblich Tote im Sarg geschrien hatte.
    Ich tat zunächst nichts, und auch Betty Florman rührte sich nicht. Sie stand in leicht gebückter Haltung zwischen der Couch und dem Tisch. Sie schaute auch nicht in den Flur hinein, sondern auf die Tischplatte, und ich sah, wie sie mit den Zähnen an der Unterlippe nagte.
    Das passte ihr nicht. Das konnte ihr einfach nicht passen. Sie hatte schon damit gerechnet, mich los zu sein, und plötzlich war alles gekippt.
    Der Schrei hielt an. Für die Dauer mehrerer Sekunden schwebte er als Echo durch das Zimmer. Dann wurde es langsam leiser, und als er kurz vor dem Abklingen stand, da hatte ich den Eindruck, als wäre er in einem leisen Lachen gestorben.
    »Das war keiner von uns«, flüsterte ich der Frau zu. »Oder wie sehen Sie das?«
    »Stimmt.«
    »Der Schrei kam aus dem Sarg!«
    »Sie sollten jetzt gehen, Mr. Sinclair.« Ihre Stimme klang, als wäre sie aus einem sehr trockenen Hals gedrungen. »Es ist wirklich besser, wenn Sie mein Haus verlassen.«
    »Und Sie möchten mit der Leiche tatsächlich allein bleiben?«
    »Pardon, aber das ist allein mein Problem. Lassen Sie die Dinge wie sie sind. Fahren Sie nach Hause. Ich bedanke mich noch mal für Ihre Hilfe, aber jetzt sind es meine Probleme, und ich sage Ihnen, ich werde damit fertig-«
    Ob ich ihr das glauben sollte, stand in den Sternen. Im Zweifelsfall nicht, und deshalb schüttelte ich auch den Kopf. »Tut mir Leid, Mrs. Florman, aber das kann ich nicht. Es ist unmö glich. Sie müssen das begreifen.«
    »Begreifen Sie bitte, dass es auch gefährlich für Sie werden kann. Verdammt noch mal.«
    Nach diesen Worten wurde es still zwischen uns. Wir standen uns gegenüber. In den letzten Minuten hatte diese Frau einen gehörigen Energieschub erlebt. Sie war zu einer regelrechten Kämpferin geworden und dachte nicht daran, aufzugeben.
    Dann wurde die Stille von einem neuen Geräusch unterbrochen. Es war kein Schrei mehr, doch ich empfand es als schlimm, denn beide hörten wir dieses furchtbare Kratzen, das auch dort erklang, wo der Sarg im Flur stand.
    Lange Fingernägel schabten über einen harten Gegenstand.
    Es konnte durchaus die Innenseite des Sargdeckels sein, die dieses Geräusch abgab. In der Totenkiste lag jemand, der unbedingt ins Freie wollte, und das war sicherlich kein Toter.
    Vielleicht war es jemand, der aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war und nun versuchte, sein Gefängnis zu verlassen.
    Alles konnte stimmen, musste aber nicht zutreffen, und auch mir schossen die verschiedensten Vermutungen durch den Kopf, die ich allerdings für mich behielt.
    »Ich denke, dass Sie allmählich nachschauen sollten, Mrs.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher