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1172 - Die Macht des Kreuzes

1172 - Die Macht des Kreuzes

Titel: 1172 - Die Macht des Kreuzes
Autoren: Jason Dark
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passiert. Anita hatte ihn zu mir geführt wie die Mutter ihr kleines Kind.
    Sie sang nicht mehr. Stattdessen senkte sie den Kopf, um mich anschauen zu können. In ihrem durch das lange Leben gezeichneten Gesicht malten sich die Gefühle ab. Besorgnis, Furcht und auch ein bestimmtes Wissen.
    »Sie ist auch für dich zu stark gewesen, nicht wahr?«
    Ich zeigte ihr ein verzerrtes Lächeln. »Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Zumindest die Panther sind es. Wenn ich mich falsch bewege, bin ich geliefert.«
    »Nein, ich denke nicht.«
    »Wieso?«
    »Man kann über mich lachen oder nicht, aber eines steht fest. Es gibt eine Kraft, die in mir steckt. Sie ist ungewöhnlich, doch nicht einmalig. Ich bin in der Lage, Dinge zu beeinflussen. Ich kann Menschen manipulieren, aber auch Tiere. Ich habe es nie an die große Glocke gehängt, doch wenn ich will, dann gehorchen die großen Raubkatzen auch mir. Nicht einmal Harold Winter weiß darüber Bescheid, und er soll es auch nie erfahren. Es würde seinem Image schaden.«
    »Das glaube ich nicht. Kann sein, dass ihm niemals mehr im Leben etwas schaden wird.«
    »Denkst du an seinen Tod?«
    »Bestimmt.«
    »Wo ist er?«
    »Im Wagen.«
    Sie nickte. »Ich hatte es mir gedacht. Es musste ja so kommen. Ich kenne ihre Pläne nicht genau, aber ich kann mich gut in Emilys Lage hinein versetzen. Sie will Rache. Sie will die Abrechnung. Sie hat sich hier schlecht behandelt gefühlt und…«
    »Noch ist es nicht zu spät, denke ich…« Ich wollte noch hinzufügen, dass sie mich von den Wächtern befreien sollte, aber Anita hatte ihren eigenen Kopf.
    »Sie zieht es tatsächlich durch. Sie räumt alle Feinde aus dem Weg. Sie bestraft sie, indem sie ihnen das Augenlicht raubt. Das hat sie auch bei Mirko getan. Er war seinem Chef stets treu ergeben, und das ist ihm in dieser Nacht zum Verhängnis geworden. Er hat sich an den beiden Käfigwagen aufgehalten, um die Tiere zu beobachten, und genau das hat ihr nicht gefallen. Sie sah ihn schon auf der falschen Seite stehen, und so hat sie ihre grausame Vorsorge getroffen. Ich ahnte, dass diese Nacht schlimm werden würde. Ich habe mich nicht hingelegt und geschlafen, denn ich wollte helfen, und ich habe Mirko in seinem bedauernswerten Zustand gefunden. Ich entschloss mich, von nun an bei ihm zu bleiben. Ich werde versuchen, ihm ein normales Leben zu ermöglichen, so gut wie ich es kann.«
    Ich sagte mit leiser Stimme: »Das ist alles sehr ehrenvoll, Anita, aber es trifft nicht den Kern.«
    »Du willst sie, nicht wahr?«
    »Genau!«
    Sie blickte zu mir herab. Nach einer Weile nickte sie. »Ja, ich spüre, dass du derjenige bist, der es schaffen kann. Du besitzt eine gewisse Ausstrahlung, die ich bisher nur bei wenigen Menschen erlebt habe, aber es war nie die gleiche.«
    »Kannst du mich von den Panthern befreien?«
    Die Antwort, die jetzt folgen würde, war die Wichtigste von allen.
    Wenn sie meinen Wunsch verneinte, hatte ich verloren und konnte wahrscheinlich mit dem Leben abschließen.
    Ich hörte Mirko seufzen. »Die Tiere müssen ihr gehorchen«, flüsterte er dann. »Ich will es auch. Ich hasse Emily. Sie ist so grausam. Sie wird ihre Rache durchziehen. Sie wird allen das Augenlicht nehmen, die nicht auf ihrer Seite stehen. Wir haben hier im Zirkus keinen Engel, sondern eine verfluchte Schlange genährt.«
    Anita löste sich von Mirko. Sie schob ihn etwas zur Seite, um selbst Platz zu haben.
    Dann senkte sie den Kopf.
    Ich schaute in ihre Augen, die normal und menschlich waren. Aber ich sah fast zugleich, dass sich die Tiere bewegten. Auch die Raubkatze, die auf meinem Körper hockte.
    Sie drückte zuerst ihren Körper gegen meinen Unterleib, dann stand sie langsam und träge auf. Zwei Pfoten pressten sich gegen meine Oberschenkel. Der Druck war beinahe so hart wie der von Eisenstangen.
    Als sie dann die ersten Schritte zur Seite ging, da drang ein schon jämmerlich klingendes Jaulen aus ihrem Maul.
    Auch die anderen Tiere blieben nicht mehr auf ihren Plätzen liegen.
    Sie stemmten sich ebenfalls hoch, sie drehten ihre Köpfe, und sie gehorchten den Blicken der Frau, obwohl sie kein einziges Wort zu ihnen gesagt hatte. Anders als der Dompteur in der Manege. Sie sprach nur mit den Blicken zu ihnen.
    Die Raubkatzen zogen die Schwänze ein. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
    Es war für mich kaum zu fassen, dass sie das Interesse an mir verloren hatten. Ich musste mich fragen, welch eine Macht jemand wie Anita besitzen musste, um die
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