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117 - Der Zauberspiegel

117 - Der Zauberspiegel

Titel: 117 - Der Zauberspiegel
Autoren: Dämonenkiller
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niemals mehr zurückzukommen. Sie verstand nicht, weshalb sie hergekommen war.
    Sie betrat das Badezimmer, knipste das Licht an und stellte sich vor den Spiegel. Ihr Haar war zerrauft und ihr Gesicht unnatürlich blaß. Dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab. Langsam wusch sie sich, schminkte sich flüchtig und bürstete ihr Haar gründlich durch. Nachdem sie sich die Zähne geputzt hatte, fühlte sie sich etwas besser, doch noch immer fiel ihr jede Bewegung schwer.
    „Sheila!" hörte sie Tony Burston schreien.
    Sie antwortete nicht, sondern preßte wütend die Lippen zusammen. Tony hat mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt! dachte sie mißmutig.
    „Wo steckst du, Sheila?"
    Schwere Schritte näherten sich, und die Badezimmertür wurde aufgerissen.
    Tony Burston stand breitbeinig im Türrahmen. Sein Grinsen steigerte noch Sheilas Wut.
    „Lange hast du es nicht ohne uns ausgehalten", sagte er, betrat das Badezimmer und legte 'seine rechte Hand auf ihre Schulter.
    Sheila sah Tonys Gesicht im Spiegel. Vor einem halben Jahr, als sie ihn kennengelernt hatte, war er ihr gutaussehend vorgekommen. Sein schulterlanges, kastanienfarbenes Haar, das immer sorgfältig frisiert war, die hohe Stirn, der gepflegte buschige Oberlippenbart, die Römernase, das markante Kinn und der ewig lächelnde Mund - das hatte ihr damals gefallen. Jetzt fand sie seine Pedanterie und sein zynisches Grinsen widerlich.
    „Nimm deine Hand von meiner Schulter!" sagte sie, und ihre Hände verkrallten sich im Waschbeckenrand.
    „Ich bin froh, daß du zurückgekommen bist, Sheila", flüsterte er, legte seine Hände auf ihre Hüften und lehnte sich an ihren Rücken.
    Sheila verzog die Lippen angewidert, als seine Hände höherglitten und sich auf ihre festen Brüste preßten.
    „Laß das!" sagte sie kalt, packte seine Hände und riß sie herunter.
    „Du hast dich den Gesetzen unserer Gruppe zu beugen", sagte Tony Burston erbost.
    „Das habe ich lange genug getan", stellte Sheila spitz fest und ging an Tony vorbei in ihr Zimmer. „Ich verstehe dich nicht, Sheila", meinte Tony und folgte ihr. „Du warst doch immer glücklich bei uns. Weshalb hast du so plötzlich deine Meinung geändert?"
    Eine gute Frage, stellte Sheila fest, auf die ich nicht so einfach antworten kann.
    „Wenn wir dir alle so widerlich sind, weshalb bist du
dann
zurückgekommen?"
    Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit, dachte Sheila. Weshalb bin ich wirklich zurückgekommen?
    „Ich habe den anderen nichts davon gesagt, daß du uns verlassen wolltest, Sheila", sprach Tony weiter. „Ich war sicher, daß du deine Meinung ändern würdest. Vergessen wir die dumme Auseinandersetzung, die wir gestern gehabt haben. Ja?"
    Sheila starrte in Tonys Gesicht, ohne es bewußt wahrzunehmen. Ihre Gedanken kreisten noch immer um die Frage, weshalb sie. ihren Entschluß, den sie für endgültig gehalten hatte, geändert hatte.
    Doch so sehr sie auch grübelte, sie fand keine Antwort auf diese Frage. Irgend etwas mußte vergangene Nacht geschehen sein, was sie ihre Meinung hatte ändern lassen. Aber was war es gewesen? Tony war ihr noch immer verhaßt und auch die anderen Mitglieder der Kommune sagten ihr nicht zu.
    „Laß mich allein, Tony!" bat sie.
    Tony nickte ihr schweigend zu, grinste breit und stapfte aus dem Zimmer.
    Sheila sah ihm nachdenklich nach, schüttelte den Kopf und ging langsam im Zimmer auf und ab.
    Bis vor einem Jahr war sie ein wohlbehütetes Mädchen gewesen. Ihr Vater hatte sein Vermögen mit einer Wäschereikette gemacht und sie verwöhnt und ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Vor einem Jahr war er bei einem Autounfall gestorben, und sie war sich entsetzlich allein vorgekommen. Ihre Mutter hatte sie nie gekannt, da sie bei ihrer Geburt gestorben war. ihr Verhältnis zu ihrem Vater war höchst ungewöhnlich gewesen: sie hatte ihn vergöttert, und sein Tod ließ ihre Welt einstürzen. Zweimal hatte sie einen Selbstmordversuch unternommen, war im letzten Augenblick jedoch gerettet worden und in psychiatrische Behandlung gekommen. Vor sieben Monaten war sie geheilt entlassen worden. Doch das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit war geblieben. Sie war reich, doch sie hatte keine Beziehung zum Geld, hatte nie eine gehabt und würde wahrscheinlich auch nie eine haben. Freunde hatte sie nur wenige. Ihre abgöttische Liebe zu ihrem Vater war ihr wichtiger gewesen. Das Haus in Yorkville, in dem sie zusammen mit ihrem Vater gelebt hatte, ließ sie
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