Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
112 - Monster im Prater

112 - Monster im Prater

Titel: 112 - Monster im Prater
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
selbst in Erscheinung zu treten und würde damit unliebsamen
Fragen aus dem Weg gehen. Vielleicht auch dem Verdacht, selbst an Meixners Tod
Schuld zu sein, falls ein Verbrechen dieser Art geschehen war. ln Gedanken
versunken hockte er im Zug und verließ an der Station Praterstern die Bahn. Er
schlenderte die Straße entlang und überquerte einen Parkplatz, auf dem schon
viele Autos standen. Schon von weitem war das Riesenrad zu sehen, das langsam
seine Kreise zog. Musik und Lärm der verschiedensten Vergnügungsbetriebe
drangen ihm entgegen. An den Buden gleich am Haupteingang standen Kinder und
Erwachsene. Hier gab’s die ersten gerösteten Mandeln und Nüsse, Eis,
Zuckerwatte und Würstchen. Auf dem breiten, asphaltierten Weg lief Wibbert ohne
besondere Eile durch den Prater. Allzu viel Betrieb herrschte um diese Zeit noch
nicht. Am späten Nachmittag und am Abend würde mehr los sein. Er fühlte sich
seltsam bedrückt, als er sich Istvan Perkushs Zeltbude näherte. Die erste
Vorstellung war laut Tafel um 15 Uhr angesetzt. Bis dahin war’s noch eine
Stunde. Der blasse junge Mann aus Graz schlenderte scheinbar ohne besonderes
Ziel an den Buden, Karussells und Hallen entlang. Ein Durcheinander von Musik
und Geräuschen erfüllte die Luft. Im Blickfeld vor Wibbert lag eine riesige
Schaukel, ein einziges großes Holzschiff, das steil hin- und herpendelte. Die
meist jugendlichen Insassen jubelten, wenn es abwärts ging. Die Geräusche aus
der Geisterbahn, die der Bude und Perkushs Wohnwagen am nächsten stand, waren
am lautesten. Der Zyklop mit der riesigen Keule über dem Eingang bewegte sich,
beugte sich weit nach vom und führte die Keule schwungvoll nach unten, als
wolle er die vor der Geisterbahn versammelten Menschen mit einem Streich
niedermachen. Auch der Totenschädel befand sich in Aktion. Immer wieder öffnete
er sein zähnestarrendes Maul, und dann war der beleuchtete Körper eines
Menschen zu sehen, über dem sich die Kiefer wieder schlossen. Heulen und
langgezogene Klagelaute, erschreckte Aufschreie wurden über Lautsprecher aus
dem Innern der Geisterbahn übertragen. Vor Istvan Perkushs Schaubude bummelten
einige Menschen entlang. Der eine oder andere blieb kurz stehen, um sich die
Plakate und Aufschriften näher zu betrachten. Wibbert hörte, wie eine Frau
sagte, dass sie sich das Monster gern mal ansehen möchte. „Bestimmt ist
irgendein Trick dabei“, meinte sie. „Ich glaube nicht, dass es wirkliche
Monster gibt.“ Dann ging sie mit ihrem Mann weiter. Wibbert hatte weniger Augen
für Plakate und Schautafeln als für den Wohnwagen des Ungarn. Die Tür stand
offen, die Vorhänge waren zurückgezogen, und die Stimme eines Radiosprechers
war zu hören. Offenbar hörte sich Perkush etwas an. Er selbst war jedoch nicht
zu sehen. Neugierig trat der blasse junge Mann näher und warf einen Blick nach
innen. Gleich rechts in einer Nische befand sich die Kochstelle, und auf einem
schmalen Regal, das zur Hälfte mit einem Vorhang aus Wachstuch zugezogen war,
standen Konserven, Einmachgläser und Gewürzdosen. Perkush hatte offenbar schon
gefrühstückt. In dem kleinen Waschbecken lag benutztes Geschirr. Auf dem ausklappbaren
Tisch stand noch eine riesige Tasse, weiß mit großen grünen Punkten, in der
Kaffee dampfte. Der Bewohner des Wagens konnte nicht weit sein. Wibbert wollte
weitergehen, als er plötzlich von hinten angesprochen wurde. „Na, junger Mann,
suchen Sie etwas?“
    Der
Angesprochene warf den Kopf herum. Vor ihm stand Istvan Perkush. Wibbert sah
ihn, wie er leibte und lebte, zum ersten Mal bei Helligkeit. Er war groß,
massig und ein finster dreinschauender Mann. Dieser Eindruck wurde durch den
riesigen Schnurrbart noch verstärkt. „Nein, nein“, beeilte Wibbert sich zu
sagen und bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Er musste an
die Nacht denken. Da hatten sie sich auch schon flüchtig gegenübergestanden.
Aber in der Dunkelheit war nicht allzu viel zu sehen gewesen. Es war kaum
anzunehmen, dass Perkush den Fremden, der letzte Nacht in die Dunkelheit
geflohen war, erkannt hatte. „Ich sah die Tür offen stehen“, fuhr Wibbert rasch
fort. „Da musste ich einfach mal einen Blick hineinwerfen. Einen alten Wohnwagen
wie diesen sieht man selten.“
    „O ja, das
will ich meinen“, entgegnete der schwarzhaarige Mann mit dröhnender Bassstimme.
Perkush war ein Mann wie ein Bär, trug marinefarbene seidig schimmernde Hosen
und ein piekfeines weißes Seidenhemd mit weiten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher