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1094 - Der Mann aus Haiti

Titel: 1094 - Der Mann aus Haiti
Autoren: Unbekannt
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Ikopanhe sind wahre Künstler. Niemand im ganzen Universum kann ihnen in der Züchtung von Textil-Biopolymeren das Wasser reichen."
    Eartha lächelte über den Eifer des Händlers, aber sie befolgte seine Aufforderung. Ihre Hände glitten über den Stoff. Er fühlte sich tatsächlich außergewöhnlich leicht an. Dank der Manipulationen der Robottheke vermittelte er außerdem ein Gefühl sanfter Kühle, das bei der draußen herrschenden Hitze als besonders angenehm empfunden werden mußte.
    „Was kostet der laufende Meter?" erkundigte sie sich.
    Der Händler verdrehte die Augen, als hätte sie etwas Unanständiges gefragt.
    „Santa Maria! Von seinem Wert her ist dieser Stoff unbezahlbar. Offen gesagt, mir gefällt er so gut, daß ich ihn am liebsten für mich behalten würde. Aber die Tradition meines Hauses verpflichtet mich dazu, meine persönlichen Ambitionen zurückzustellen, um das Wertvollste meinen Kunden anzubieten."
    Eartha hörte geduldig zu und freute sich bereits auf das Feilschen um den Preis. Sie hatte ihre Kindheit und Jugend auf Haiti verbracht und viele Jahre in Portau-Prince gewohnt. Sehr oft hatte sie den Marche Fer, den „Eisenmarkt" aufgesucht, war von der Grand Rue aus an den Hunderten von kleinen Läden vorbeigewandert und hatte dem leidenschaftlichen Handeln zwischen Verkäufern und Käufern gelauscht und es genossen, wenn sie selbst um etwas handeln konnte.
    Sie war dankbar dafür, daß Portau-Prince, als das Gesicht der Erde sich am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nachhaltig zu wandeln begonnen hatte, größtenteils unter Denkmalschutz gestellt worden war.
    „An welchen Preis hattest du gedacht?" erkundigte sich Eartha, nachdem der Verkäufer seine Litanei beendet hatte.
    Der Mann wiegte den Kopf.
    „Du bist eine schöne Frau, und du erwartest neues Leben in deiner Familie", erklärte er.
    „Außerdem habe ich heute in anderen Stoffen einen guten Preis erzielt, deshalb schenke ich dir den Laraferdil unter dem Einkaufspreis. Sagen wir, vierzig Galax für den laufenden Meter."
    „Ich glaube, es ist heute zu heiß", erwiderte Eartha. „Ich werde ein andermal wiederkommen, wenn ich nicht befürchten muß, daß du einen Sonnenstich hast und den laufenden Meter mit dem laufenden Kilometer verwechselst." Sie gab sich den Anschein, als wollte sie den Laden verlassen.
    Der Händler schlug sich mehrmals die flache Hand gegen die Stirn.
    „Oh, Santa Maria, sei dieser armen Frau gnädig, obwohl sie mich in den Ruin treiben möchte!" rief er weinerlich. „Fünfzig Galax habe ich für den laufenden Meter bezahlt, und ich bin bereit, ihn für dreißig Galax zu verkaufen, weil ich ein gutes Werk tun will."
    Eartha blieb stehen.
    „Zehn Galax!"
    „Zehn Galax!" Aus der Stimme des Händlers sprach größte Verzweiflung. „Meine Frau und meine Kinder werden verhungern, ich werde mein Haus verkaufen müssen und betteln gehen - und obendrein werde ich zum Gespött der Leute werden. Aber ich muß heute wohl nicht ganz richtig im Kopf sein, deshalb biete ich dir diese Kostbarkeit zum Schleuderpreis von zwanzig Galax an, obwohl ich dabei mehr zusetze, als ich verantworten kann."
    „Einverstanden", sagte Eartha und kehrte zum Ladentisch zurück.
    Der Händler strahlte übers ganze Gesicht, denn natürlich hatte er immer noch Gewinn erzielt.
    „Du hast ein gutes Geschäft gemacht, Bürgerin", versicherte er eifrig, während er die Sensorpunkte eines am linken Unterarm festgeschnallten flachen Computers berührte.
    „Es war eine große Freude, mit jemandem wie mit dir zu handeln. Manchmal kommen Außerirdische - aber sogar Terraner -, die einfach den zuerst genannten Preis akzeptieren. So etwas verdirbt einem die Freude am ganzen Geschäft. Na, glücklicherweise sind es Ausnahmen. Wie viel Meter brauchst du?"
    „Vier Meter."
    Der Händler berührte abermals die Sensoren.
    „Und der Stoff geht an deine Anschrift? Du wirst ihn kaum tragen wollen. Sicher kaufst du heute noch mehr ein."
    „Wahrscheinlich schon. Weidenburn, dreihundertachtzig Navidad Way."
    „Navidad Way!" Dort wohnt eine Bekannte von mir: Jeudy Vaval. Kennst du sie zufällig?"
    „Ihren Namen kenne ich nicht, aber vielleicht habe ich sie schon gesehen. Welche Nummer?"
    „Zweihunderteinundsiebzig. Ein kleines, aber schönes Haus mit freiem Strandblick. Ich habe es für sie gemie..." Er räusperte sich. „Die Häuser dort sind alle sehr schön. Meine Frau wollte früher auch dorthin ziehen, aber dann haben wir überlegt, daß sie für
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