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1089 - Horrorland

1089 - Horrorland

Titel: 1089 - Horrorland
Autoren: Jason Dark
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den Schultern. »Ich weiß es nicht genau. Er kippte plötzlich zur Seite hin. So sitzt er noch jetzt. Dann lief aus seinem Mund das Blut in den Bart hinein. Einfach so. Ich dachte zuerst, er hätte sich auf die Lippe oder die Zunge gebissen, aber das stimmte wohl nicht, denn es rann immer mehr Blut hervor. Wie Sirup sickerte es über das Kinn, oder wie Marmelade. Wir haben es gesehen, haben auch gewartet, daß er wieder etwas sagt. Das hat er nicht getan. Dann wurde die Tür geöffnet, und Sie sind gekommen.«
    »Richtig, Tommy.«
    »Und jetzt ist…«
    »Jetzt wirst du den Raum hier verlassen und zu den anderen gehen.« Ich drehte ihn herum und deutete auf Glenda, die mit den Kindern zusammenstand, sich mit ihnen unterhielt, aber durch die Scheibe in unsere Richtung schaute.
    »Siehst du die Frau dort im grauen Mantel?«
    »Ja.«
    »Sie gehört zu mir. Bei ihr kannst du bleiben, bis wir wieder mit euch sprechen. Es werden bald Kollegen von mir kommen, die sich um den Weihnachtsmann kümmern.«
    »Sind das die Leute von der Mordkommission?«
    »Du kennst dich gut aus.«
    Tommy hüstelte vor sich hin. »Das sehe ich immer in der Glotze, wenn mal so was passiert. Und das ist jetzt in echt. Eigentlich toll, aber ich kann mich nicht darauf freuen.«
    »Das ist auch besser so, Tommy«, sagte ich. Er bekam noch einen Klaps auf die Schulter, dann trottete er mit gesenktem Kopf davon hin zu den anderen.
    Ich stieg wieder auf die Plattform und kümmerte mich um den Toten. Das Blut lief nicht mehr aus seinem Mund. Allerdings war es auf dem Kinn klebengeblieben, und auf der Oberfläche hatte sich bereits ein dünnes Häutchen gebildet. Der Lebenssaft war tief in den hellen Bart hineingesickert und hatte sich dort verteilt wie dünnes, rotes Lametta. Er bot auch deshalb ein so makabres Bild, weil seine Augen weit offenstanden und das Gesicht so bleich war. Da wirkte die rötliche Färbung auf seinen Wangen noch künstlicher.
    Wie war er getötet worden? Wer hatte ihn getötet? Ich dachte darüber nach und auch über die Geschichten, die der Weihnachtsmann erzählt hatte. Einer, der nicht von süßen Engeln oder von Rentieren gesprochen hatte, die Schlitten, vollbepackt mit Geschenken, durch den Schnee zogen, nein, der hier hatte von einem Horrorland erzählt.
    Phantasie, Wirklichkeit?
    Eigentlich hätte ich über die Erzählungen des namenlosen Weihnachtsmannes lachen oder grinsen müssen. Das kam mir nicht in den Sinn. Und nicht nur, weil ich auf einen Toten schaute, sondern weil ich in meinen Berufsjahren schon wahnsinnig viel erlebt hatte und das Unmögliche schon möglich geworden war. Welches Land hatte der Weihnachtsmann damit gemeint? Wirklich eines, das seiner Phantasie entsprungen war, denn er hatte den Kindern ja Geschichten erzählen oder vorlesen sollen? Oder gab es das Land tatsächlich? Möglicherweise konnte mir das Buch darüber Auskunft geben.
    Ich zog es ihm aus den starren Händen und berührte es nur sehr behutsam, um keine Spuren zu verwischen. Es war aufgeschlagen, aber einen Text gab es auf den beiden Seiten nicht. Nur ein schnell hingeschriebenes Gekritzel.
    Trotzdem war ich neugierig geworden. Das Buch kantete ich so auf dem Schoß des Toten fest, daß es beim Umblättern nicht herabrutschte. Dann schlug ich die einzelnen Seiten auf und war schon positiv überrascht, auch wenn ich nichts Geschriebenes sah.
    Dafür entdeckte ich einige mit Bleistift durchgeführte Zeichnungen. Es wäre nicht mehr als Striche, man konnte die Werke auch als halbfertig ansehen, aber derjenige, der sie gemalt hatte, war sehr begabt gewesen.
    Der Mann hatte sehr realistisch gemalt. Ich erkannte Berge, Hügel, Täler und auch Wälder. Sie alle waren mit schnellen Strichen angedeutet worden, aber gut zu erkennen.
    Und Menschen?
    Auch beim Weiterblättern fand ich sie zunächst nicht. Alle Motive zeigten Landschaften, doch dann stutzte ich, auch wenn noch keine Menschen zu sehen waren.
    Mir fielen Tommys Worte wieder ein, der von fliegenden Ungeheuern oder Riesenvögeln gesprochen hatte.
    Und zwei dieser Vögel entdeckte ich.
    Es waren Tiere, wie ich sie noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Sie schwebten durch einen grau schraffierten Himmel und glichen irgendwelchen aufgeplusterten Wesen, die zufällig Flügel und Schnäbel bekommen hatten.
    Die Tiere sahen nicht eben vertrauenserweckend aus. Von der Größe her waren sie mächtiger als Adler. Diese Tiere gab es auf unserer Welt nicht. Zumindest wußte ich nichts davon.
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