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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch
Autoren: Edgar Wallace
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das ist die Hauptsache.«
    Er sah sie immer noch entsetzt an.
    »Heiraten? Ich habe doch nie daran gedacht. Nein, der Gedanke ist mir schrecklich. Sie ist zwar sehr nett, aber –«
    »Ich wünsche, daß du deinen eigenen Haushalt führst.«
    Er dachte bei sich, daß er das schon längst tun würde, wenn sie ihn nur schalten und walten ließe.
    »Wenn die Leute darüber reden, daß du dich an die Schürze deiner Mutter hängst, muß dir dieser Vorschlag doch willkommen sein. Ich möchte nicht deinetwegen mein ganzes Leben hier in Marks Priory verbringen.«
    Das war allerdings eine verlockende Aussicht. Willie Lebanon atmete tief auf, dann erhob er sich.
    »Natürlich muß ich einmal heiraten, aber es ist furchtbar schwer …« Er zögerte, bevor er weitersprach. Wie würde sie sein Geständnis aufnehmen? »Ich habe versucht, mich ein wenig mit ihr anzufreunden – ja, ich habe sie vor etwa vier Wochen sogar einmal geküßt, aber sie war entsetzlich widerspenstig!«
    »Das war auch nicht recht von dir, sie einfach zu küssen!«
    Gilder kam in Sicht, und Willie war froh, daß die Unterhaltung unterbrochen wurde.
    Gilders Livree war von einem guten Londoner Schneider angefertigt worden, aber der Amerikaner hatte eine unglückliche Figur.
    Lord Lebanon wartete auf die Vorwürfe seiner Mutter, die seiner Erfahrung nach nicht ausbleiben konnten, aber sie sagte nichts über das vernachlässigte Aussehen des Dieners, sie fragte nicht einmal, wie er dazu käme, sie ohne weiteres zu stören.
    »Wünschen Sie etwas, Mylady?« erkundigte sich Gilder.
    Als sie den Kopf schüttelte, verließ er langsam die Halle.
    »Wenn du ihn nur gefragt hättest, was, zum Teufel, er eigentlich wollte –«
    »Denke an das, was ich dir über Isla gesagt habe«, unterbrach sie ihn, ohne sich um seinen Protest zu kümmern. »Sie ist entzückend – und sie stammt aus unserer Familie. Ich werde ihr mitteilen, daß ich eine Heirat zwischen euch beiden wünsche!«
    Er schaute sie verblüfft an.
    »Weiß sie denn noch nichts davon?«
    »Und was nun Studd angeht –«, sie runzelte die Stirn.
    »Du wirst ihn doch nicht entlassen? Er ist wirklich ein sehr guter Kerl, und er hat mir auch gar nichts erzählt.«
    Später traf Lord Lebanon den Chauffeur in der Garage.
    »Ich fürchte, daß ich Ihnen keinen guten Dienst erwiesen habe«, erklärte er schuldbewußt. »Ich sagte heute zu meiner Mutter, daß die Leute über mich klatschen …«
    Studd richtete sich grinsend auf.
    »Ach, darauf kommt es mir nicht an, Mylord.«
    Der etwa fünfunddreißigjährige Mann hatte ein frisches, gesundes Aussehen. Früher war er Soldat gewesen und hatte in Indien gedient.
    »Ich gebe die Stellung hier nicht gern auf, aber ich glaube nicht, daß ich noch lange bleiben kann. Gegen Mylady habe ich nichts, sie ist immer sehr höflich und wohlwollend zu mir. Dagegen werden Sie wie ein Sklave von ihr behandelt. Ich gehe nur wegen dieses gemeinen Kerls.«
    Lord Lebanon seufzte. Er brauchte nicht erst zu fragen, wer dieser gemeine Kerl wäre.
    »Wenn Mylady ebensoviel von ihm wüßte wie ich«, sagte Studd geheimnisvoll, »dann würde sie ihm das Haus verbieten!«
    »Was wissen Sie denn?« erwiderte Lebanon neugierig.
    Er hatte diese Frage schon früher gestellt, aber nie eine genaue Antwort darauf erhalten.
    »Wenn die Zeit kommt, werde ich auch ein paar Worte zu reden haben. Er war doch in Indien?«
    »Selbstverständlich. Er fuhr hin, um mich nach Hause zu bringen, und in früheren Jahren war er drüben Regierungsarzt. Wissen Sie etwas über ihn – ich meine über seine Affären in Indien?«
    »Im rechten Augenblick melde ich mich schon und sage, was ich über ihn denke«, erwiderte Studd düster.
    Er zeigte auf einen Anbau an der Garage. Dort stand ein neuer Wagen, den Willie noch nie gesehen hatte.
    »Die Karre gehört ihm. Wo kriegt er nur das Geld her, daß er sich so einen Wagen anschaffen kann? Der kostet doch ein paar tausend Pfund. Und als ich den Mann damals kannte, war er pleite. Ich möchte nur wissen, woher er das Geld nimmt.«
    Willie Lebanon hatte seiner Mutter schon oft dieselbe Frage vorgelegt, ohne eine Antwort darauf zu erhalten.
    Der junge Lord haßte Dr. Amersham; alle Leute mit Ausnahme seiner Mutter und der beiden amerikanischen Diener haßten den kleinen, energischen Herrn, der sich etwas zu auffällig kleidete und zuviel Parfüm gebrauchte. Überall versuchte Dr. Amersham sich Geltung zu verschaffen, und wenn man dem Dorfklatsch trauen konnte, war
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