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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch
Autoren: Edgar Wallace
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erschrocken zusammen.
    »Nun, die Leute erzählen, daß ich mich wie ein kleiner Junge benehme, der immer an der Schürze seiner Mutter hängt, und so weiter.«
    »Wer hat das gesagt?« fragte sie wieder. »Etwa Studd?«
    Er wurde rot, denn sie hatte das Richtige getroffen. Aber er mußte dem Chauffeur gegenüber sein Wort halten und durfte ihn nicht verraten.
    »Studd? Um Himmels willen, nein! Ich würde doch dergleichen nicht mit einem Angestellten besprechen. Nein, ich habe es hintenherum gehört, und auf jeden Fall habe ich Gilder entlassen.«
    »Es tut mir leid, daß ich ohne Gilder nicht auskommen kann. Außerdem ist es nicht angebracht, daß du einen Dienstboten entläßt, ohne dich vorher mit mir in Verbindung zu setzen.«
    Er zog einen Sessel an die andere Seite des Schreibtisches und ließ sich ihr gegenüber nieder. Dann machte er einen energischen Versuch, ihr in die Augen zu schauen, aber er starrte doch nur den silbernen Leuchter an, der etwas seitwärts in gleicher Höhe mit ihrem Kopf stand.
    »Allen Leuten ist es aufgefallen, wie sich diese beiden benehmen«, sagte er hartnäckig. »Sie denken gar nicht daran, mich mit Mylord anzureden. Daran liegt mir allerdings auch nicht viel, denn wir leben in einer demokratischen Zeit. Aber sie tun nichts im Hause, sie sind vollkommen unnütz und stehen nur herum. Ich habe doch recht, Mutter!«
    Sie lehnte sich etwas vor.
    »Du hast unrecht, Willie. Ich brauche die beiden hier, und du hast keine Ursache, voreingenommen gegen sie zu sein, nur weil sie Amerikaner sind.«
    »Ich habe keine Vorurteile gegen sie –«
    »Bitte, unterbrich mich nicht, wenn ich spreche, mein lieber Junge. Du mußt nicht auf die Geschichten hören, die Studd dir erzählt. Er ist ein netter, umgänglicher Mensch, aber ich weiß nicht, ob er der richtige Chauffeur für Marks Priory ist.«
    »Du willst ihn doch nicht etwa entlassen?« protestierte er. »Verdammt noch mal, ich habe drei gute Kammerdiener gehabt, und jedesmal sagtest du, sie wären nicht die richtigen Leute für mich, obwohl ich sehr gut mit ihnen auskam!« Er nahm allen Mut zusammen. »Ich glaube, daß sie nur Amersham nicht paßten!«
    Sie warf den Kopf leicht zurück.
    »Ich richte mich nie nach Dr. Amershams Ansicht, ich frage ihn nicht um Rat und lasse mich auch nicht durch ihn leiten«, erwiderte sie scharf.
    Er gab sich die größte Mühe, ihren Blick auszuhalten.
    »Was macht der Doktor überhaupt im Schloß?« fragte er. »Er lebt hier in Marks Priory, obwohl er mir unausstehlich ist. Wenn ich dir erzählte, was ich alles von ihm gehört habe –«
    Er brach plötzlich ab, denn die beiden abgezirkelten, roten Flecke auf ihren Wangen waren ein Sturmsignal, das er nur zu gut kannte.
    Zu seiner größten Erleichterung kam Isla Crane in die Halle. Sie hielt einige Briefe in der Hand, als sie aber Mutter und Sohn im Gespräch sah, zögerte sie. Dann wollte sie sich schnell zurückziehen, aber Lady Lebanon rief sie herbei.
    Isla war vierundzwanzig Jahre alt. Sie hatte dunkle Haare, dunkle Augen und eine schlanke, anmutige Gestalt.
    Willie Lebanon grüßte sie mit einem Lächeln, denn Isla gefiel ihm. Einmal hatte er über sie mit seiner Mutter gesprochen, und zu seinem größten Erstaunen hatte sie ihm keine Vorhaltungen gemacht. Isla war eine entfernte Kusine von ihm und arbeitete als Sekretärin bei Lady Lebanon. Auch auf Dr. Amersham machte sie tiefen Eindruck. Aber davon wußte Lady Lebanon nichts.
    Isla legte die Briefe auf den Tisch und war zufrieden, als Mylady sie nicht zurückhielt.
    »Findest du nicht, daß sie sehr schön ist?« fragte Lady Lebanon, als die Sekretärin gegangen war.
    Eine sonderbare Frage, denn seine Mutter lobte nur selten andere Menschen. Er glaubte daher, daß sie der Unterhaltung eine andere Wendung geben wollte, und das war ihm nur recht, da sein Mut und seine Energie erschöpft waren.
    »Ja, sie ist fabelhaft«, entgegnete er nicht sehr begeistert, war aber gespannt, was sie nun sagen würde.
    »Es ist mein Wunsch, daß du sie heiratest«, erklärte sie ganz ruhig.
    Er starrte sie an.
    »Warum soll ich denn Isla heiraten?« fragte er bestürzt.
    »Sie ist doch ein Mitglied unserer Familie. Ihr Urgroßvater war der jüngere Bruder deines Urgroßvaters.«
    »Aber ich will doch gar nicht heiraten –«
    »Rede nicht so albern, Willie. Du mußt heiraten, und Isla ist in jeder Beziehung eine gute Partie. Geld hat sie zwar nicht, aber darauf kommt es auch nicht an. Sie ist aus guter Familie,
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