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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache
Autoren: Jason Dark
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Gesicht auf die Tischplatte geschlagen. Der Stuhl rutschte dabei zurück.
    Die Trauer über den Verlust meiner Eltern biß sich regelrecht in mir fest.
    Ich war so leer. So wehrlos – und auch allein!
    Ich wußte, wer ich war, ich wußte auch, welchen Job ich hatte, aber ich konnte nicht mehr. Ich war völlig down, kaputt, stand dicht davor, ungerecht zu werden und die Entdeckung der Lade zu verfluchen.
    Aber es ging weiter. Es mußte einfach weitergehen. Das war ich mir selbst schuldig. Ich konnte nicht Tag und Nacht in Trauer versinken. Ich war einfach fertig.
    Am Boden zerstört…
    Daß die Zeit verging, merkte ich nicht.
    Auch nicht, daß die Sonne weiterwanderte und ihre Strahlen jetzt in einem anderen Winkel in das Zimmer schickte, so daß sie auch mich erreichten. In meinem Innern war alles ausgebrannt.
    Deshalb merkte ich auch nicht, wie sich die Tür öffnete und der Abbé den Raum betrat. Er ging langsam, er war leise. Als er die Tür wieder schloß, war so gut wie kein Laut zu hören.
    Ich hatte den leichten Luftzug zwar bemerkt, aber nicht auf ihn reagiert. Und ich hob den Kopf auch nicht an, als ich die leisen Schritte vernahm.
    Der Abbé blieb neben mir stehen. Ich wußte es, aber ich sprach ihn nicht an.
    Das tat er dafür. »John«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich glaube, es ist an der Zeit, daß wir miteinander sprechen. Nur so kommen wir weiter. Glaub mir.«
    Ich hörte ihn sprechen. Nur kam es mir nicht so vor, als stünde er direkt neben mir, sondern weiter von mir entfernt. Meine Ohren waren zu, aber der Abbé gab nicht auf. Ich hörte, wie er sich einen Stuhl holte und ihn zu mir an den Tisch schob. Dann ließ er sich nieder und legte mir eine Hand auf den Arm.
    Der Druck war beruhigend. Ich wußte jetzt, daß ich einen Freund bei mir hatte, aber ich konnte mich noch immer nicht überwinden, ihm das eine oder andere Wort zu sagen.
    Das gluckernde Geräusch, das entsteht, wenn Wasser in ein Glas fließt, bekam ich ebenfalls am Rande mit. »Es ist besser, wenn du etwas trinkst, John.«
    Ja, da mochte er recht haben, und ich stemmte mich sehr langsam in die Höhe. Als ich den Abbé anschaute, mußte ich wie ein Fremder ausgesehen haben, aber der Templer überspielte es und lächelte mir nur zu. Auf dem Tisch stand die helle Flasche mit dem Mineralwasser. Das Glas war schon halb gefüllt worden, und der Abbé schob es mir zu.
    Ich umfaßte es mit beiden Händen. Sekundenlang schloß ich die Augen, denn die Kühle des Materials tat mir gut. Ich hörte die Perlen zischen und zerplatzen und vernahm die Bemerkung des Freundes.
    »Nur in der Niederlage und in der Trauer wird der Mensch stark. Man kann das Glück erst genießen, wenn man durch das tiefe Tal der Tränen geschritten ist.«
    Ich nickte. Es war mehr eine automatische Bewegung. Und so ähnlich hob ich auch das Glas an, das ich mit beiden Händen noch immer festhielt. Ich führte es an meine Lippen und trank in kleinen Schlucken.
    Bloch hatte das Richtige getan. Es war einfach wunderbar, die Kühle zu spüren. Das Wasser rann meine Kehle hinab und breitete sich im Magen aus.
    Bloch schaute zu, wie ich das Glas leerte und es dann zur Seite stellte. Noch immer war mein Gesicht verquollen, und in den Augen schimmerte die Nässe.
    »Geht es besser, John?«
    Ich hob nur die Schultern.
    Bloch lächelte. »Ich weiß, daß es schwer ist, verdammt schwer sogar. Aber du wirst es schaffen, glaub mir. Du kannst und du wirst es schaffen, das bin ich mir sicher.«
    »Ich weiß nicht…«
    »Doch, John, doch.« Er nickte mir zu. »Es ist ein Schicksalsschlag, aber du weißt auch, welchen Beruf du ausübst. Du stehst unter Strom, du befindest dich immer in Gefahr, für dich ist das Unmögliche möglich geworden, und das hat nun mal seinen Preis.«
    »Ja«, gab ich leise zurück und nickte dabei. »Das habe ich bereits gemerkt.«
    Der Abbé ballte die rechte Hand. »Aber du wirst aus diesem Tal herauskommen, und zwar gestärkt. Das kann ich dir versprechen, John. Und ich werde alles tun, um dir dabei zur Seite zu stehen. Ich will dir einfach helfen.«
    »Ja – und dann?« murmelte ich.
    Er schaute mich an. »Nichts, mein Freund. Das Leben geht weiter. Das weißt du. Ich denke, daß du diesen Satz schon öfter zu anderen Menschen gesagt hast.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Eben. Und jetzt bist du an der Reihe. Jeder kommt einmal dran und wird in die Zwinge des Lebens genommen – jeder. Es ist nicht einfach, was ich dir vorschlage, aber versuche bitte, deinen
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