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1004 - Die Stufen der Erkenntnis

Titel: 1004 - Die Stufen der Erkenntnis
Autoren: Unbekannt
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Sicht. Surfo schrie auf.
    Über die Wunde hatte sich frische Haut geschlossen. Die Augenhöhle war verschwunden. Das neue Gewebe verdichtete sich zusehends, während er hinsah, überzog sich mit Schuppen und wurde binnen weniger Augenblicke zum integralen Bestandteil der Kopfhaut. Wer das Tier so sah, wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß es ursprünglich drei Augen besessen hatte.
    Der ganze Schädel hatte sich jetzt über die Felskuppe erhoben. Die beiden gesunden Augen waren auf Surfo gerichtet, die Schlitzpupillen weit geöffnet, was ihnen einen seltsam nachdenklichen, fast traurigen Ausdruck verlieh. Der Kopf begann zu schwanken, hin und her, her und hin.
    Ein unwirklicher Gedanke schlich sich in sein Bewußtsein. Das Tier war nicht mehr sein Feind. Der Tanz, den es ausführte, war eine Geste der Versöhnung. Unsinn, sagte ihm der logische Verstand, ein Tier versteht den Begriff der Versöhnung nicht. Aber die Logik spielte in diesen magischen Sekunden keine Rolle. Fasziniert beobachtete Surfo den schwankenden Riesenschädel. Eine Eingebung bewog ihn dazu, den Arm in die Höhe zu recken und den Strahler so in der Hand zu drehen, daß er den Lauf statt des Kolbens zu fassen bekam. Langsam ließ er den Arm wieder sinken. Das Tier sollte sehen, wie er die gefährliche Waffe in den Gürtel schob - zum Zeichen, daß er sie nicht mehr zu benützen gedachte.
    Der Schädel kam langsam auf ihn zu. Die Pupillen der nachdenklichen Augen waren noch größer geworden. Der Verstand signalisierte Gefahr, aber der Instinkt des Jägers empfand keine Drohung. Ein unterdrückter, zärtlicher Laut drang aus dem Hals der Riesenschlange, fast wie der Lockruf der Steinkatze, mit der sie ihre Jungen zu sich holt. Der mächtige Kopf schob sich über die Kuppe des Felsens herüber. Jetzt bekam Surfo das Maul des Tieres zu sehen, eine Öffnung im oberen Teil des Halses, aus der sich taschenförmig ein großer Hautlappen faltete. Der Lappen „streifte Surfos Montur.
    Es gab ein leises, kratzendes Geräusch. Surfo rührte sich nicht. Das Tier empfand dies als Zustimmung. Langsam begann der Hautlappen, sich um Surfos Hüfte zu schlingen.
    Die Tasche, die das Maul darstellte, nahm ihn auf.
    Panik überkam ihn, als der logisch denkende Verstand für eine Sekunde die Oberhand gewann. Du wirst gefressen! Surfo fühlte sich emporgehoben, sanft, ohne Ruck. Er schwebte über den Felsen hinweg. Der lange Hals krümmte sich. Der Kopf wandte sich nach hinten und senkte sich. Surfo spürte, wie der Griff um seine Hüfte sich lockerte.
    Der riesige, geschuppte Leib kam auf ihn zu. Der Hautlappen öffnete sich. Surfo spreizte die Beine und kam rittlings auf den Rücken des Tieres zu sitzen, in einer geschuppten Körperfalte, die ihm Halt bot.
    Die traurigen Augen blickten auf ihn herab, als wollten sie fragen, ob er mit der veränderten Lage einverstanden sei. Surfo hatte die vergangenen Augenblicke im Zustand ungläubigen Staunens, wie in Trance, verbracht. Erst jetzt wurde ihm klar, daß er all dies wirklich erlebte, daß er nicht unter dem Einfluß eines Traumes stand. Die aufgestaute Spannung machte sich in einem lauten Lachen Luft. Er warf den Kopf in den Nacken und rief fröhlich: „Also dann, Drache - vorwärts!"
     
    *
     
    Rhythmisch hob und senkte sich der gewaltige Körper des Tieres, und mit jedem krachenden, knirschenden Ruck legte es fünfzehn Meter zurück. Surfo kauerte in der Hautfalte am Halsansatz, etliche Meter von den Muskeln entfernt, die die Krümmung des Leibes bewirkten. Für ihn war die Fortbewegung nahezu erschütterungsfrei.
    Die unwirkliche Landschaft glitt an ihm vorbei: Sand, treibender Staub, zu unglaublichen Formen zerfressene Felsen, hier und da ein trockenes Dornengestrüpp. Es war ein Land aus einem Alptraum. Die Luft war stickig heiß, und übelriechende Gase brannten in den Lungen. Surfo überließ es dem Tier, den Weg zu wählen. Er war zufrieden, daß es sich geradlinig bewegte - soweit er das beurteilen konnte. Er wußte, daß der Flecken Ödland von unbedeutender Ausdehnung sein mußte. Man hätte ihn sonst von der SANTONMAR aus oder beim Anflug bemerkt. Jede Bewegung in gerader Linie mußte zur Grenze des verwüsteten Landstrichs führen. Jedes Mal, wenn der Treibsand ein wenig lockerer wurde, glaubte Surfo, vor sich das saftige Grün des Dschungels zu sehen. Hin und wieder versuchte er, Scoutie oder Brether per Funk zu erreichen. Er hatte keinen Erfolg. Er empfing nach wie vor die Radioimpulse, die der
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