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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz
Autoren: Karl May
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seiner Augen, doch strich er mit den beiden Händen schnell über dieselben und sagte in wieder munterem Ton: „Seht, da steht einer von den zwölfen auf, der, welcher mit dem Wirt so heimlich gemunkelt hat. Höchstwahrscheinlich kommt er her, um uns zu äffen. Well, die Komödie kann losgehen; aber verderbt sie mir nicht etwa!“
    Man darf sich nicht darüber wundern oder es gar belächeln, daß Sam Hawkens seinem Maultier und seinem Gewehr solche Kosenamen gegeben hatte und in so zärtlicher Weise von ihnen sprach.
    Die Westmänner vom alten Schrot und Korn – leider ist diese Sorte bis auf wenige, die man zählen kann, jetzt ausgestorben – waren ganz andere Menschen als das Gesindel, welches nach ihnen kam. Unter dem Ausdruck Gesindel sind hier nicht etwa nur moralisch verkommene Menschen gemeint; dieses Wort hat hier eine andere als die gewöhnliche Bedeutung. Wenn ein Millionär, ein Bankier, ein Offizier, ein Advokat, meinetwegen auch der Präsident der Vereinigten Staaten selbst, nach dem Westen geht, ausgerüstet mit den jetzigen massenmörderischen Waffen, ängstlich behütet und bewacht von einer zahlreichen Begleitung, damit ihm ja keine Mücke in die Hühneraugen beißt, und von einem sicheren Standort aus das Wild zu hundert Exemplaren niederknallt, ohne dessen Fleisch gegen den Hunger zu gebrauchen, so wird dieser hohe und vornehme Herr von dem wirklichen Westmann eben zum ‚Rabble‘, zum Gesindel gerechnet. Der Indianer, der Westmann vom Fach, ‚machte‘ nur dann Fleisch, wenn er es brauchte. Er fing das ihm nötige Pferd aus einer Herde wilder Mustangs heraus; er kannte die Zeiten, wenn die Büffel von Süden nach Norden zogen und wenn sie zurückkehrten; er wußte die Gegenden, durch welche sie auf ihren Wanderungen kamen, und machte dort und dann Jagd auf sie, nur um sein Leben zu fristen. Da traf man auf Mustangherden zu fünftausend Stück; da kamen die Bisons gewallt wie ein Meer, zwanzig- und dreißigtausend und noch mehr zählend. Wo sind diese ungeheuren Massen hin? Verschwunden! So weit die Savannen reichen, ist kein einziger Mustang mehr zu sehen. Ausgerottet, vernichtet! Im Nationalpark droben ‚hegt‘ oder ‚schont‘ man jetzt einige Büffel; hier und da kann man in irgendeinem zoologischen Garten noch einen einzelnen sehen; aber in der Prärie, welche sie früher zu Millionen bevölkerten, sind sie ausgestorben; der Indianer verhungert körperlich und moralisch, und einen wirklichen, echten Westmann sieht man nur noch in Bilderbüchern. Daran ist das schuld, was der Trapper, der Squatter ‚Gesindel‘ nennt. Man sage ja nicht, daß der Grund in dem Vorrücken der Zivilisation liege. Die Zivilisation hat nicht die Aufgabe der Ausrottung, der Vernichtung. Wie oft taten sich, als die Pazifikbahnen entstanden, Gesellschaften von hundert und mehr ‚Gentlemen‘ zusammen, um, mit Gewehren ‚neuester‘ Konstruktion bewaffnet, einen Jagdausflug zu unternehmen. Sie dampften nach dem Westen, ließen in der Prärie halten und schossen aus den sicheren Coupés heraus auf die vorüberziehenden Büffelherden; dann fuhren sie weiter, ließen die Tierleichen zum Verfaulen liegen und rühmten sich, Präriejäger gewesen zu sein und ein ‚ excellent and eximious ‘ Vergnügen gehabt zu haben. Dabei waren auf ein wirklich getötetes Tier zehn und noch mehr angeschossene, verwundete zu rechnen, welche sich mühsam und schmerzvoll weiterschleppten, um dann elend zu verenden. Der Indianer stand von fern, sah mit ohnmächtigem Grimm zu, in welcher Weise man ihm seine Nahrung raubte, ihn zum Hunger trieb, und konnte nichts dagegen tun. Beschwerte er sich, so wurde er ausgelacht; wehrte er sich, so wurde er niedergemacht, wie die Büffel, welche er für sein Eigentum hielt und deshalb geschont hatte.
    Ganz anders der wirkliche Westmann, der frühere Jäger. Dieser schoß nicht mehr, als er brauchte. Er holte sich das Fleisch mit Gefahr seines Lebens. Er wagte sich auf seinem Pferd mitten in die Büffelherde hinein. Er kämpfte mit dem Mustang, den er sich fangen und zähmen wollte; er trat selbst dem grauen Bären kühn entgegen; sein Leben war ein unaufhörlicher, aber ritterlicher Kampf mit feindlichen Verhältnissen, feindlichen Tieren und feindlichen – Menschen. Dabei mußte er sich auf sich selbst, auf sein Pferd und auf sein Gewehr verlassen können, wenn er nicht ‚ausgelöscht‘ werden wollte. Das Pferd war daher sein Freund, die Büchse seine Freundin. Wie mancher Jäger hat oft,
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