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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz
Autoren: Karl May
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verkehrten.
    Es war ein wunderbar schöner Apriltag, als er an einem der rohen Tische saß, welche vor seiner aus Luftziegeln errichteten Hütte standen. Er schien bei schlechter Laune zu sein, denn er klopfte mit dem leeren Schnapsglas auf die Platte des Tisches, und als nicht sofort jemand erschien, ihm dasselbe zu füllen, rief er, sich nach der offenen Tür wendend, in zornigem Ton: „Holla, alte Hexe! Hast du keine Ohren? Brandy will ich haben, Brandy! Mach schnell, sonst helfe ich nach!“
    Da trat eine alte Negerin mit der Flasche aus der Hütte und füllte ihm das Glas. Er leerte es in einem Zug, ließ sich wieder eingießen, und während sie dies tat, sagte er: „Den ganzen Tag kein einziger Gast zu sehen! Die roten Halunken wollen das Trinken nicht lernen. Wenn dann auch kein Fremder kommt, kann ich mich hersetzen und mir Löcher in den eigenen Magen brennen!“
    „Nicht allein sitzen“, begütigte die Alte. „Gäste kommen.“
    „Woher weißt du das?“ fragte er.
    „Hab' sehen.“
    „Wo?“
    „Auf Weg von Tubac her.“
    „O wirklich? Wer ist's?“
    „Nicht wissen. Alte Augen nicht erkennen. Es Reiter sein, viele Reiter.“
    Auf diese Worte hin stand er auf und eilte um die Ecke der Hütte. Von dort aus konnte er den Weg nach Tubac überblicken. Dann kam er schnell zurück und rief der Alten zu: „Es sind die Finders, verstanden, die Finders, und zwar alle zwölf! Die verstehen es, zu trinken; da blüht der Weizen. Schnell hinein; wir müssen Flaschen füllen!“
    Beide verschwanden in der Hütte. Nach einigen Minuten kamen zwölf Reiter in das Dorf, hielten vor der Hütte an und sprangen von den Pferden, die sie dann frei laufen ließen. Es waren wilde Gestalten von verwegenem Aussehen und so gut bewaffnet, wie es in dieser Gegend und bei den jetzigen Verhältnissen für jedermann nötig war. Einige trugen mexikanische Kleidung; die andern stammten aus den Staaten; das sah man ihnen deutlich an. Eins aber hatten sie alle gemein: es gab keinen einzigen unter ihnen, der ein vertrauenerweckendes Aussehen besaß.
    Sie lärmten und schrien roh durcheinander, warfen sich Scheltworte zu, einer von ihnen trat an die geöffnete Tür, zog seinen Revolver, gab einen Schuß in das Innere der Hütte ab und rief dann hinein: „Hallo, Paddy! Bist du daheim oder nicht, alter Giftmischer? Komm heraus mit deiner Schwefelsäure; wir haben Durst!“
    Paddy ist bekanntlich die scherzhafte Bezeichnung des Irländers. Der Wirt erschien mit einer vollen Flasche unter jedem Arm und zwölf Gläsern in den Händen. Die Gläser auf zwei Tische setzend und sie dann füllend, antwortete er: „Bin schon da, Mesch'schurs. Ward schon angemeldet; meine Schwarze hat euch kommen sehen. Hier, trinkt, und seid gebenedeit in meinem Haus!“
    „Behalte die Benediktion für dich, alter Spitzbube, außer sie soll als Vorbereitung zum Tod gelten! Wer dein Zeug trinkt, begeht einen Selbsttotschlag.“
    „Schlagt euch nur immer tot, Mr. Buttler; werde euch mit einer weiteren Flasche wieder auferwecken. Haben einander seit Wochen nicht gesehen. Wie ist's inzwischen ergangen? Gute Geschäfte gemacht?“
    „Gute?“ antwortete Buttler mit einer wegwerfenden Handbewegung und indem er den Inhalt seines Glases hinunterstürzte, worin ihm seine Kameraden folgten. „Miserabel ist's gegangen, armselig wie noch nie. Haben nicht ein einziges Geschäft gemacht, welches der Rede wert gewesen wäre.“
    „Aber warum? Ihr werdet doch die Finders genannt und nennt euch selbst auch so. Habt ihr die Augen nicht offengehalten? Ich glaubte, heut ein gutes Geschäft mit euch machen zu können.“
    „Das heißt, du wolltest uns den erwarteten Raub abkaufen und uns dabei wieder betrügen, wie du ja immer tust. Diesmal aber gibt es nichts, wirklich nichts. Den Roten ist nichts mehr abzunehmen, und wenn man einem Weißen begegnet, so ist er selbst einer, der in andrer Leute Taschen greifen muß. Dazu kommt der Sicherheitsausschuß, den der und jener holen möge! Was haben diese Halunken sich in unser Geschäft zu mischen? Was kümmert es sie, wenn wir da ernten, wo wir nicht, aber auch sie nicht, gesät haben. Wahrlich, man muß jetzt darauf vorbereitet sein, aus jedem Strauch, an welchem man vorüberkommt, die Läufe einiger Doppelgewehre hervorblicken zu sehen! Aber Aug um Aug, Zahn um Zahn! Wir haben uns vorgenommen, jeden ohne Gnade und Barmherzigkeit aufzuhängen, der den Verdacht in uns erweckt, zu diesem Vigilanzausschuß zu gehören. Hast du
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