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0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

Titel: 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder
Autoren: Jason Dark
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sein, ihm, dem Bild, zu zeigen, daß sich Ihr Vater bereit erklärt hat, sich nicht diesen brutalen Dingen zu beugen. Verstehen Sie?«
    »In etwa.«
    »Er wollte dagegen ankämpfen. Er wollte einen letzten Versuch unternehmen. Dabei muß etwas eingetreten sein, das ihn in diesen Schockzustand geführt hat.«
    »Das Ratespiel ist zu hoch für mich.«
    Ich lächelte sie an. »Vielleicht sollten wir es mit einem Schluck Whisky versuchen oder zumindest mit dem Geruch. Es könnte durchaus sein, daß Ihr Vater durch…«
    »Ja, ja, das ist eine gute Idee.« Sie hatte mich nicht zu Ende sprechen lassen und lief bereits auf den Schrank zu, der in der oberen Hälfte mit alten Büchern gefüllt war, die durch Glasscheiben vor Umwelteinflüssen geschützt wurden.
    Der untere Schrankteil hatte zwei Türen. Grace öffnete die rechte der beiden, holte eine Flasche hervor und auch ein Glas. Ich schenkte ein, weil ihre Hände zu stark zitterten. Sie schaute mir zu, dann sah sie auf ihren Vater, den ich mit der freien Hand anstieß, wobei ich auch gegen seine linke Wange schlug.
    Plötzlich öffnete sich sein Mund. Er schnappte nach Luft. Dann hörten wir das Stöhnen.
    »Ja, er kommt zu sich!« flüsterte Grace, die völlig aufgeregt war.
    »Mr. Felder«, sagte ich.
    Der Reverend stöhnte. Er versuchte, sich hochzudfücken, was ihm schwerfiel, weil seine Arme kraftlos waren. Ich faßte zu. Unter dem dünnen Stoff des grauen Pullovers fühlte ich sehr dünne Arme, die fast nur aus Haut und Knochen bestanden.
    Ich setzte den Mann normal hin. Er machte alles mit. Er sah auch das Glas und griff danach. Mit beiden Händen mußte er es festhalten, wobei ich ihn noch unterstützte, denn ich hatte meine rechte Hand unter den Boden gelegt.
    Dann trank er. Er hustete leicht, trank aber weiter und leerte das Glas, das ich wegstellte.
    Grace war wieder nahe an ihn herangetreten. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und schaute ihm aus kurzer Distanz ins Gesicht. »Vater, hörst du mich? Ich bin es - Grace, deine Tochter.«
    Der Reverend stöhnte auf. Dabei verzog er das Gesicht. »O Gott«, flüsterte er, »o Gott…«
    »Was ist denn passiert, Vater? Was ist…?«
    Felder hob den Kopf. »Grace?« fragte er. »Ja, ich bin es.«
    Mich nahm er nicht zur Kenntnis, als er sich noch weiter aufrichtete und Grace sich etwas zurückzog. Er faßte nach ihren Händen und hielt sie fest.
    »Grace, ich bitte dich! Du mußt - du darfst nicht mehr hier in diesem Haus bleiben, verstehst du das?«
    »Ja, ich habe es gehört, aber…«
    »Bitte geht! Ich habe es versucht, aber ich habe das Unheil nicht aufhalten können. Ich bin zu schwach. Ich schaffe es nicht.«
    »Bitte, deshalb bin ich hier. Wir werden dir helfen.«
    »Nein, versteh mich doch. Das geht nicht.« Sein Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. »Hier ist etwas am Werk, gegen das wir Menschen nicht ankommen. Wir können nicht dagegen ankämpfen. Diese Kräfte sind einfach zu mächtig, und das waren sie schon immer. Zu mächtig. Seit Urzeiten, begreifst du das?«
    »Ja, ich begreife es.«
    »Und ich habe es versucht. Ich habe ja alles gewußt. Ich habe doch die alten Bücher. Aber ich habe niemanden hineinschauen lassen. Jeder Felder war informiert, auch die Generationen vor uns, und ein Felder hat das Bild gemalt. Ich hätte Aufklärung geben können, aber ich habe mich nicht getraut. Jetzt ist es zu spät. Ich habe die alten Aufzeichnungen zerrissen und verbrannt und dachte, das Unheil aufhalten zu können. Das ist nicht möglich, ich hätte es wissen müssen. Aber ich bin einfach zu borniert gewesen, auch zu egoistisch, weil ich dachte, es selbst stoppen zu können. Ich habe auch gehofft, daß es diese Zeit und diese Welt nicht mehr gibt, aber ich habe mich geirrt. Jetzt ist es zu spät. Sie werden kommen, da bin ich mir sicher.«
    »Sprichst du von den Kindern damals?«
    »Ja.«
    »Oder meinst du ihre Geister?«
    »Ich weiß es nicht, Grace. Alles ist möglich. Aber ich weiß, daß sie bereits ihre Welt verlassen haben und im Ort sind. Sie haben schon mit ihrer Rache begonnen. In den letzten Wochen sind die Kinder krank und schwach geworden. Kein Arzt hat das erklären können, aber ich weiß, woran es gelegen hat. An dem alten Fluch aus der Vergangenheit. Er hat sich bewahrheitet. Was man ihnen damals angetan hat, tun sie jetzt anderen an. So sieht es aus.« Er nickte noch einmal, dann sackte er in seinem Stuhl zusammen, denn das lange Reden hatte ihn erschöpft. Der Reverend wirkte
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