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0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

Titel: 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder
Autoren: Jason Dark
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die Wichtigkeit des Bildes so deutlich gewesen wie heute, John«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es ist auch ein Erbstück, und es ist knapp über zweihundert Jahre alt. Es ist unheimlich. Es paßt auch nicht in ein Pfarrhaus, meine ich, aber ich kenne es von Kindheit an.«
    »Hat es auch einen Namen, einen Titel?«
    »Ja«, bestätigte sie, und ich merkte, daß ihr die weitere Antwort schwerfiel.
    »Es hat einen Titel. Es heißt: Die Welt der verlorenen Kinder…«
    ***
    Das war ein Schock, obwohl ich irgendwo damit hätte rechnen müssen.
    Ich reagierte kaum, sondern schaute Grace Felder nur an, die mit den Tränen kämpfte.
    »Verstehen Sie?«
    »Irgendwo schon.«
    »Okay, auch ich betrachte es jetzt aus einem anderen Zusammenhang, aber lassen Sie sich nicht stören, John. Schauen Sie sich das Bild gut an. Erst dann können wir es vielleicht gemeinsam interpretieren. Im Moment bin ich etwas geschockt.«
    Das hatte ich mir gedacht, obwohl sie das Bild schon seit ihrer Kindheit kannte.
    Es war wirklich eine Welt der verlorenen Kinder.
    Wer es zum erstenmal betrachtete, so wie ich, dem fiel vielleicht nur die Landschaft auf. Ein grauer Boden, bedeckt mit Schneeresten, ein weiter Hintergrund, der in einen dunklen Himmel überging.
    Nein, das war kein Himmel.
    Das war ein Gesicht. Eine Fratze. Widerlich und monströs. Ein Maul, aus dem helles Licht strahlte. Augen, die ebenfalls so kalt glotzten und auf die Person, eine Frau, niederschauten, die sich in dem Gelände aufhielt, dem Betrachter den Rücken zudrehte und auf das Monster zuschritt.
    Die Frau wirkte verloren inmitten der weiten Landschaft, aber sie ging auf das Monstrum zu. Das konnte ich ihrer Körperhaltung entnehmen.
    Grace Felder räusperte sich, und ich verstand das Zeichen. Ich schaute sie wieder an.
    Sie nickte mir zu. »Verstehen Sie jetzt mehr, John?«
    »Nicht direkt…«
    »Es ist die Welt der verlorenen Kinder. In sie sind sie damals hineingegangen.«
    »Wenn Sie das sagen…«
    »Es stimmt auch.«
    »Was macht Sie so sicher?«
    »Der Maler.«
    »Ach.«
    Grace schluchzte auf. Oder war es ein bitteres Lachen? So genau wußte ich es nicht. »Die Welt der verlorenen Kinder ist von einem Künstler gemalt worden, der Felder heißt. Verstehen Sie jetzt, John? Es war ein Felder, der diese Welt malte. Einer von uns, kann ich sagen. Einer, der genau Bescheid wußte. Ein Künstler, kein Priester, aber ein Felder. Und ein Felder muß auch mit den anderen Kräften in Verbindung gestanden haben. Vielleicht trug er auch einen Teil der Schuld an der Tötung der Kinder, die er in diese Welt hineingeschickt hat.«
    »Nicht ganz, Grace. Dann wären Sie da noch zu sehen. Er hat eben nur die Welt gemalt.«
    »Ja, mit einer Person.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Es ist eine Frau, John. Wer ist sie?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Grace lachte wieder glucksend auf. Dann ballte sie ihre Hände zu Fäusten und flüsterte: »Ich habe schon mal den Eindruck gehabt, daß ich dort abgebildet bin. Zwar bin ich nur von hinten zu sehen, aber ich könnte es sein - oder nicht?«
    »Nun ja, ich weiß nicht so recht. Haben Sie nicht selbst gesagt, daß dieses Gemälde sehr alt ist? Über zweihundert Jahre? Wenn das stimmt, wie sollten Sie dann auf dieses Bild kommen?«
    »Ja, das ist es, was mich auch irritiert und wiederum ein wenig hoffen läßt.«
    »Nur die Kinder sind nicht zu sehen«, sagte ich. »Es ist einfach ihre Umgebung, ihre Welt, in der ein Monster hockte, das sie regiert. Die Welt der verlorenen Kinder, die möglicherweise von ihr geschluckt worden sind. Das müßte herauszufinden sein.«
    »Ich sehe das anders, John. Es ist keine fremde Welt. Für mich ist es die Umgebung von Paxton, wie sie damals ausgesehen hat. Die Frau befindet sich in einer Mulde, und es kann durchaus der Platz sein, an dem die Kinder verschwunden sind.«
    »Man sprach von einem Teich«, sagte ich.
    »Ja, den gibt es doch. Den gab es auch damals schon, denke ich. Hier hat sich kaum etwas verändert. Es liegt dort noch Schnee, und so ist es durchaus möglich, daß der Teich von ihm verdeckt wird. Er kann sich zwischen der Fratze und der Frau befinden.«
    »Ja, das ist nicht ausgeschlossen. Man hat die Kinder damals hier in dieser Welt ins Verderben geschickt und sie nicht durch irgendein Zeittor laufen lassen.«
    »Und sie sind jetzt zurückgekommen?« fragte Grace leise.
    »Gewissermaßen schon. Allerdings auf ihre spezielle Art und Weise. Man kann sie nicht sehen, man kann sie nur hören. Ihre
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