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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen
Autoren: Simon Borner
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Geschehnissen der vergangenen Wochen und dem, was du in Manhattan erlebt hast, einen Zusammenhang geben muss.« Sie sprach ganz ruhig und sachlich. »Einen, den du bislang nicht gesehen hast - zumindest nicht so deutlich, dass er dir im Bewusstsein blieb. Aber im Unterbewusstsein sitzt er.«
    Zamorra seufzte. Nach all den gemeinsamen Jahren wusste er es besser als seiner Partnerin offen zu widersprechen, wenn sie derart überzeugt war. Andererseits: Wo wäre er heute, wenn er nicht auf sein Bauchgefühl vertrauen könnte?
    Vermutlich unter der Erde, beantwortete er sich die Frage selbst. Und das seit Jahrzehnten. Mindestens!
    »Ich vermute, du packst morgen früh?«, fragte er, und es klang wie eine Kapitulation.
    »Worauf du dich verlassen kannst«, antwortete sie triumphierend. »Wenn dich dein Bauch in den Big Apple ruft, solltest du dich ihm nicht widersetzen -und nach all den Abenteuern, die du dort ohne mich bestritten hast, wird es höchste Zeit, dass ich mal mitkomme. Vielleicht siehst du dann, was du sehen sollst.«
    Sie hatte nicht unrecht. Aus diversen Gründen war sie bislang nie dabei gewesen, wenn er an der Seite von Andy Sipowicz, Jenny Moffat und all den anderen Mitstreitern die Straßen Manhattans durchstreift hatte. Und jedes Mal hatte sie sich danach bitterlich darüber beschwert und darauf bestanden, bei nächstbester Gelegenheit mitzureisen. Er konnte es ihr nun nicht abschlagen.
    »Ich bin ja mal gespannt, was Zandt sagt, wenn plötzlich zwei statt ein Dämonenjäger vor seinem Schreibtisch stehen«, murmelte Zamorra - und zum ersten Mal, seit er aus dem Schlaf geschreckt war, musste er lachen.
    Kapitel 2
    Nur der Satan
    Der Jachthafen am Ende der Pier Street war zwar nur einer von zwölfen auf City Island - was bei einer Inselfläche von nicht einmal drei Quadratkilometern durchaus beeindruckend war -, aber mit Abstand der edelste. Vom Bootshaus angefangen, über das ultranoble Seafood-Restaurant am Anfang des Piers, bis zu den Booten, die hier vor Anker lagen, verströmte diese Ecke des Postkartenidylls, in das Lt. Zandt Andy zwangsversetzt hatte, eine Aura des Teuren und Exklusiven. Andy hasste sie.
    Mehr noch, als er die Insel insgesamt hasste. City Island selbst war ein zum Leben erwachtes Ideal, eine Touristenfalle aus auf pittoresk gestylten Restaurants und Hotels, die künstlich das Flair von Fischerdörfern Neuenglands transportieren sollte - quasi ein thematisch genauestens festgelegter Freizeitpark für New Yorks Schönste und Reichste. Und das bisschen echtes Leben, was sich hinter dieser Fassade abspielte - die knapp viereinhalbtausend Einwohner, die jahrein-, jahraus inmitten der ganzen Speisekarten, Souvenirshops und Bootsverleih-Büdchen lebten - blieb so überschaubar wie provinziell.
    Nirgends bewies sich das so deutlich, wie in der Szene, die sich Andy präsentierte, als er das Dock erreichte: Die Libertys Tränen war sorgfältig vertäut und gesichert. Zahlreiche Mitarbeiter der Coast Guard streiften über ihr Hauptdeck - und wo sich die mondänen Besitzer der umliegenden Jachten größte Mühe gaben, das kriminalistische Treiben zu ignorieren, gafften die lokalen Rentner, die die Ankunft der USCG angelockt hatte, unverhohlen gen Tatort.
    »Sergeant Sipowicz?«, fragte ein uniformiertes Milchgesicht, als Andy sich dem Absperrband näherte.
    Er nickte.
    »USCG-Officer Bosworth, Sir. Ich soll Sie hier abholen und an Bord bringen.«
    Andy deutete ihm, zu gehen. »Nach Ihnen, Officer.« Dann schlug er den Kragen seiner Uniformjacke hoch. Trotzdem es allmählich auf Mittag zuging, blieb es unangenehm kalt. Der Himmel war dunkelgrau, mitunter sogar schwarz, und ein eigenartiges Wetterleuchten verlieh den Wolken fast schon einen apokalyptischen Hauch.
    »Wird immer wilder da oben, he?«, fragte Bosworth, dem Andys skeptischer Blick nicht entgangen war.
    »Der Wetterfuzzi auf Metro News 1 hatte sogar einen Namen für dieses Phänomen, aber ich hab ihn vergessen. Jedenfalls ist es eine Seltenheit, die wir genießen sollten, solange sie anhält.«
    Bosworth lachte leise. »Genießen? Was genau, Sir? Den hartnäckigen Mega-Nebel jede Nacht, oder doch lieber die Tatsache, dass seit Tagen auch tagsüber keine Sonne mehr auf New York scheint?«
    Andy zuckte mit den Schultern. »Hey, fragen Sie nicht mich. Fragen Sie den Fuzzi aus dem Fernsehen.«
    Seinem geschulten Cop-Instinkt entging nicht, was der Hintergrund dieses eigenartigen Small Talks sein musste. Er kannte das: Je schlimmer ein
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