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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen
Autoren: Simon Borner
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beschwerte sich. Über mangelnde Fördergelder, unkooperative Behörden, arrogante Sachbearbeiter - das ganze Programm. Hörte man Jennings zu, bekam man schnell den Eindruck, die ganze Welt habe sich gegen den armen Mann verschworen. Doch das, so wusste Andy, war alles andere als zutreffend.
    »Der Kerl ist ein egozentrischer Unsympath«, hatte Amy Williams, die einzig wahre Polizeibeamtin City Islands, Andy schon vor Tagen gewarnt. »Klingt vielleicht hart, aber wenn du ihn erst einmal kennst, wirst du das ähnlich sehen, glaub mir. Jennings zufolge muss sich alles um ihn drehen, denn nur seine Anliegen sind wichtig. Wann immer er nicht sofort die Beachtung bekommt, die er seiner Ansicht nach verdient, wird er laut.«
    Inzwischen war er es. »Sergeant, Sie sind neu hier, von daher nehme ich Ihnen Ihre Unwissenheit nicht übel, aber Sie scheinen nicht zu verstehen, um was es geht. Ich bin alleiniger Organisator der bevorstehenden Feierlichkeiten, und ich kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn ich die volle, dafür unabdingbare Unterstützung aller offiziellen und behördlichen Stellen habe. Dem ist jedoch nicht so!«
    Diese gottverdammte Feier. Andy war nun schon drei Wochen im Zwangsexil hier auf der kleinen Insel zwischen der Bronx und dem Stadtteil Queens, und nach all den Katzen, die er von den Bäumen, und den falsch parkenden Touristen, die er von den Bürgersteigen hatte holen müssen, hätte ihm die Aussicht auf eine Großveranstaltung wie diese eigentlich eine Wohltat sein müssen. Schließlich war er mit Leib und Seele Städter, mit jeder Faser Manhattan-Anhänger, und hasste das provinzielle Idyll City Island inbrünstig, in das Lt. Zandt ihn grinsend verdammt hatte. Doch allmählich ging ihm der ganze Trubel, den die selbst ernannte High Society der Inselgemeinde um das Event veranstaltete, gehörig auf die Nerven.
    »Ich bitte Sie, Mr. Jennings, so schlimm kann’s doch nicht sein. Eine kleine Feierstunde auf City Island - das organisiert sich doch fast von selbst.«
    Die Sätze waren schneller draußen, als er sie aufhalten konnte - und das blasse Gesicht des Kurators nahm eine Wutröte an, die Andy ihm gar nicht zugetraut hätte. Der schmächtige Jennings wirkte wie kurz vor der Kernschmelze.
    »Fast von selbst? Fast von… Also, da hört sich doch alles auf! Dafür bezahle ich Steuern? Für Sesselpupser wie Sie, Sergeant? Was denken Sie sich!«
    Bevor Andy die Schimpftirade abbrechen konnte, die sein Gegenüber ihm sichtlich vorzutragen gedachte, knackte es im Funkgerät rechts neben der Reviertheke. »USCG an City Island Police, bitte kommen. USCG an City Island PD, hört mich da draußen überhaupt jemand?«
    USCG? Das stand für United States Coast Guard, die Küstenwache aus Manhattan. Was wollte die denn von der Feld-, Wald- und Wiesenpolizei City Islands?
    »Entschuldigen Sie mich kurz, ja?«, bat Andy den noch immer zeternden Kurator und wandte sich ab, ohne auf dessen Antwort zu warten.
    Das Funkgerät war eins vom Typ Vorsintflutlich. Darin passte es zum Rest der Büroeinrichtung - und der Insel als solcher. Andy brauchte ein paar Sekunden, bis er in dem Gewirr aus Reglern und Kippschaltern die richtigen gefunden und das Mikrofon aktiviert hatte. »Hier CIPD. Sprechen Sie, USCG.«
    »CIPD, schön euch zu hören. Hätte nicht gedacht, dass es euch überhaupt noch gibt. Jedenfalls: Wir brauchen euch hier draußen. Haben einen multiplen Code 8-23M an Bord einer Jacht, die in eurem Gewässer treibt. Wir bringen sie jetzt rein. Andockstelle Pier Street.«
    Code 8-23M? Das war das Funkkürzel für homicide, also Mord! Und dann gleich multipel?
    Mordfall mit mehr als einemi Opfer, übersetzte Andys geschultes Cop-Gehirn die Information. Und sie bringen die Toten zum Dock an der Pier Street. Das heißt, zum Jachthafen von City Island. Demnach handelt es sich bei den Opfern vermutlich um gut betuchte Personen.
    »CIPD, seid ihr da?«
    Erst der drängende Tonfall des Coast-Guard-Officers machte Andy klar, dass er vor lauter Erstaunen zu antworten vergessen hatte. »Ve- Verstanden, USCG. Wir sind auf dem Weg zu euch. Over.«
    Die Stimme im quäkenden Lautsprecher seufzte. Dann vergaß ihr Besitzer für einen kurzen Moment jegliche Funketikette. Deutlich leiser und sanfter als zuvor, warnte er: »Bringt euch Spucktüten mit, CIPD. Das ist eine absolut abgefuckte Psychoscheiße hier. Ich beneide den Cop nicht, der diesen Fall auf den Tisch bekommt. USCG over and out.«
    Als die Verbindung wieder getrennt
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