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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam
Autoren: Simon Borner
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Lächeln später war er den Senderchef endlich wieder los. Der Mann war vor knapp dreißig Minuten hier aufgetaucht und schien tatsächlich zu glauben, ohne seine Anwesenheit könne das NYPD seine Arbeit nicht erledigen. Typisches Boss-Syndrom.
    Andy wartete noch einen Augenblick, um sicherzugehen, dass der Kerl, den er soeben per Lift zurück ins Foyer geschickt hatte, nicht gleich wieder hochkam, dann kehrte er zu Zandt und Millerton an den Tatort zurück.
    Schon von Weitem hörte er den Lieutenant aufbrausend werden. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?«, grollte Zandts sonores Organ von den Wänden wider. »Mann, wo haben Sie denn Ihre Ausbildung gemacht? In einer Fernsehserie?«
    Die Kollegen aus dem Police Plaza One standen noch immer im Flur um die Reste der Leiche versammelt. Neben ihnen hatte sich aber Greg Sanders eingefunden, der Lakai von vorhin, den Zandt mit der Beschaffung der Überwachungsbänder beauftragt hatte. Allem Anschein nach war er fündig geworden, denn der Datenträger in seiner Hand sprach Bände.
    Zandts Gesicht allerdings ebenfalls. »So einen Dummfug hab ich ja mein Lebtag noch nicht gehört. Ein Untoter ? Hat man Ihnen ins Gehirn gefurzt?«
    Millerton hob beschwichtigend die Hände, doch Andy sah, dass sie sich nicht halb so sicher fühlte, wie sie sich gab. »Warten Sie, Lieutenant. Ich…«
    »Was?«, fuhr Zandt nun auch sie an, nachdem Sanders keinen Mucks mehr zu machen wagte. »Sie was? Erzählen Sie mir nicht, Sie kaufen ihm dieses Ammenmärchen ab.«
    Millerton zögerte kurz, dann griff sie in die Tasche ihres dunklen Mantels und zog ihr Mobiltelefon hervor. »Wie, sagten Sie, hieß der Mann?«, fragte sie Sanders.
    »Kring, Larry Kring. Der Larry Kring, um genau zu sein.« Sanders wirkte, als schäme er sich seiner Informationen, könne sie aber nicht für sich behalten, da sie Teil der Ermittlungen waren.
    Und Andy verstand ihn gut. »Doch nicht der Larry Kring!«
    Diane, das Handy am Ohr, winkte ab. »Ja, Millerton hier. Bill, ich brauche mal ganz schnell eine Akteneinsicht. Rufst du dir bitte Kring, Larry auf den Schirm? Ja, ich warte.«
    »Kann mich vielleicht mal jemand darüber aufklären, was Sie alle so beeindruckt?«, fragte Zandt ungehalten. »Abgesehen von der Tatsache, dass dieser Stümper hier«, er deutete auf Sanders, »allen Ernstes behauptet, meine Stadt würde von einem wandelnden Leichnam heimgesucht?«
    Andy beeilte sich, seinem Vorgesetzten die Hintergründe zu erläutern. Larry Kring war eine andere Radio-Ikone, die kürzlich den Weg aller Irdischen gegangen war. Mit seiner politischen Diskussionsrunde Larry Kring Live hatte er schon Programm gemacht, als Andys Vater in den Kinderschuhen steckte. Diverse Präsidenten waren gekommen und gegangen, doch Larry Krings Amtszeit hatte die ihren stets um Längen überragt.
    »Aha.« Zandt nickte. Sein Gesicht war das eines Mannes, dem mittlerweile alles egal war. »Ein verhasster Egomane und sein Lakai werden vor offenem Mikrofon massakriert. Die Überwachungskameras identifizieren den Täter als Larry Kring, einen Berufskollegen. Doch der -«
    »- ist seit exakt sechs Wochen tot, ganz recht«, beendete Diane den Satz. Sie hatte ihr Telefonat beendet und steckte ihr Handy wieder in die Tasche. »Hab's gerade noch mit Bill von der Wache geklärt, um sicher zu gehen: Kring starb vergangenen Monat an einem Herzinfarkt.«
    »Kein Zweifel?«, hakte Andy nach. Es mochte absurd anmuten, aber New York hatte weit mehr gesehen als Spinner, die ihren Tod vortäuschten.
    Diane nickte. »Bill selbst hat auf Wunsch von Krings Erben die Autopsie durchgeführt, deswegen ist er sich so sicher.«
    »Und doch haben wir das hier«, murmelte Zandt und nahm Sanders den Datenträger - einen schlichten USB-Stick - aus der Hand. »Die Videoaufzeichnung, in der eben dieser Kring unseren Champlain niedermetzelt. Halten Sie mich für krank, aber die würde ich mir gern mal ansehen.«
    Kapitel 3 - Memento Mori
    Château Montagne
    Es war gut.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit war es gut. Zumindest für den Augenblick, und der allein zählte. Professor Zamorra stand am Fenster seines Anwesens im französischen Loire-Tal, sah hinaus auf die in hellem Glanz vor ihm liegenden Wiesen und empfand eine unbeschreiblich tiefe Dankbarkeit. Allen Opfern, allen Narben zum Trotz. Das Gefühl mochte flüchtiger Natur sein, aber in diesem Moment war es da, und er begrüßte es wie einen Freund, den er seit Dekaden nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er gönnte
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