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092 - Der Herr des Schreckens

092 - Der Herr des Schreckens

Titel: 092 - Der Herr des Schreckens
Autoren: Earl Warren
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Dreihundert Männer mit kahlen Köpfen und schwarzen Kutten bildeten einen Halbkreis um einen mächtigen, aus einem onyx-farbenen Monolithen gehauenen Altar. Rechts von dem Altar stand ein reichverzierter goldener Thron, auf dem ein Mann saß.
    Chandar-Chan, der Oberste der Schwarzen Lamas, war völlig nackt.
    Er war ein fetter Mann um die Sechzig mit einer Glatze und abstoßend brutalem, bösartigem Gesicht. Seine Knopfaugen hatten einen stechenden Blick voller Grausamkeit. Chandar-Chan hielt einen mumifizierten Schädel in der Hand, dem er beschwörend in die leeren Augenhöhlen blickte.
    „Kehre zurück von den Toten, du, dessen dreiundvierzigste Wiedergeburt ich bin“, rief Chandar-Chan in die Gesänge und Gebete der Schwarzen Lamas, die monoton von den Wänden und der hohen, von Finsternis verhüllten Decke widerhallten. „Sprich zu mir, deinem Nachfolger und Erben, Chandar-Chan.“
    Der Tempel war erfüllt von betäubendem Weihrauch, der sich mit modrigem, widerlichem Geruch mischte. Der fette, nackte Mann erhob sich nun, den Mumienschädel mit den schwärzlich bleckenden Zähnen an den Haaren haltend.
    „Großer Magier, Beschreiter der dunklen Pfade und Überwinder des Grauens, Herr des Schreckens, hörst du mich?“
    Dumpf, wie aus dem Innern der Erde und doch unverkennbar von dem Schädel her kommend, antwortete eine Stimme: „Ich höre dich, Chandar-Chan, Träger meines Namens und mein Erbe.“
    Die Schwarzen Lamas fielen aufs Gesicht nieder. Sie wagten nicht, sich zu rühren oder den Kopf zu heben. Nur der fette Chandar-Chan stand aufrecht. In den Augenhöhlen des Schädels in seiner Hand glühte es. Feuerschein breitete sich um den mumifizierten Totenkopf des ersten Chandar-Chan aus, der vor über tausend Jahren gestorben war.
    „Noch immer genießen wir nicht Rang und Macht, die uns zustehen. Noch immer haben wir kaum einen Einfluß auf das Geschehen in der Welt draußen. Noch immer ist unser Ziel nicht erreicht, der Welt unseren Willen aufzuzwingen. Ich frage dich, oh Chandar-Chan, wann ist die Zeit endlich reif? All unsere Zauberkünste, unsere Schwarze Magie und die Kraft unserer Beschwörungen reichen nicht aus, um die Menschenmassen wirksam zu beeinflussen und in unseren Bann zu schlagen. Wie lange noch?“
    „Die Zeit ist reif“, antwortete die dumpfe Stimme.
    Die Haltung des dreiundvierzigsten Chandar-Chan drückte gespannte Erwartung aus. Seine Knopfaugen funkelten böse, grinsend starrte er den Mumienschädel an.
    „Sprich, Chandar-Chan. Zeig mir den Weg, den ich gehen soll.“
    „Weit von hier in der Stadt Paris gibt es einen Mann, dessen Forschungsarbeiten zu Erkenntnissen geführt haben, mit denen sich das große Ziel erreichen läßt. Dieser Mann heißt Professor Mathieu Dulac. Erwecke den Lönchen und den Golem, dreiundvierzigster Chandar-Chan, und laß sie Dr. Dulac hierher bringen. Er muß dir seine Formeln und Erkenntnisse übermitteln, dann kann nichts mehr die Schwarzen Lamas aufhalten.“
    „Ja“, sagte der fette, nackte Mann. „Ja, das will ich tun, heute noch, sofort. Ich danke dir, Gründer und erster Oberster der Schwarzen Lamas. Mehr als tausend Jahre nach deinem Tod will ich den Schrecken, den du als erster verkörpert hast, über diese Welt verbreiten. Kehre zurück, Geist, woher du gekommen bist, deine Zeit hier ist zu Ende.“
    Ein Donnerschlag krachte, der die Grundfesten des Tempels und des ganzen Klosters erzittern ließ. Das Glühen und Leuchten verschwand. Der Mumienschädel war wieder tot, ein Relikt aus einer grausigen Vergangenheit.
    Chandar-Chan rief in befehlendem Ton ein paar Worte, und zwei der Schwarzen Lamas erhoben sich. Sie nahmen den Schädel entgegen und brachten ihn zu dem grob behauenen Monolithenaltar. Sie legten den Totenkopf in ein kleines viereckiges Fach in dem Altar und verschlossen es.
    Rückwärtsgehend zogen sie sich zu den anderen Schwarzen Lamas zurück, die jetzt auf den Knien verharrten.
    „Wir steigen hinab in die Grüfte der Untoten“, rief Chandar-Chan durch den Tempel. „Folgt mir. Bringt meinen Umhang.“
    Ein mit kabbalistischen Zeichen und unverständlichen Runen verzierter Umhang wurde um seine Schultern gelegt. Chandar-Chan ging zur Wand neben dem Altar und berührte die Konturen eines fratzenhaften Dämonenreliefs. Eine hohe, breite Geheimtür schwang auf.
    Chandar-Chan nahm eine Fackel aus dem eisernen Halter an der Wand und durchschritt die Tür. Die Schwarzen Lamas folgten ihm. Der fette Mann mit dem dunklen Umhang
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