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0914 - Der Fluch der Sinclairs

0914 - Der Fluch der Sinclairs

Titel: 0914 - Der Fluch der Sinclairs
Autoren: Jason Dark
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wartete er auf eine Antwort. Auf ein Flehen oder Bitten, auf ein sich Anbieten, alles war möglich, und diese Alternativen schossen auch durch Ellens Kopf. Nur schaffte sie es nicht, über diese Grenzen zu springen.
    Sie blieb stumm.
    »Hast du gehört?«
    Ellen deutete so etwas wie ein Nicken an, was aber ziemlich verkrampft wirkte.
    »Ich werde dich mit einem Kopfschuß töten. Dann ist der Mann an der Reihe. Ich muß das tun, was damals auch getan wurde. Es ist lange, sehr lange her. Viele Jahrhunderte sind vergangen. Aber sie haben nur begraben nicht vergessen. Denn das, was damals begraben worden ist, kommt nun wieder hoch…«
    Ellen konnte sich nur wundern. Sie wußte nicht, was die Worte bedeuteten. Aber sie lenkten sie von ihrer eigenen Angst ab. Für sie waren die Sätze einfach unlogisch. Mit den vergangenen Jahrhunderten und mit dem Begrabenen konnte sie einfach nichts anfangen. Dieser Kerl schien nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein!
    Ellen konnte sich gut vorstellen, daß dieser Typ aus irgend einer Anstalt ausgebrochen war und sich in den Wäldern vor seinen Verfolgern verborgen hielt.
    Die Todesangst kehrte zurück, als sich das Gewehr wieder in ihre Richtung bewegte. Sie sah die Mündung »wachsen« und zugleich vor ihren Augen verschwimmen. Schmerzen peinigten ihren Nacken, und dann spürte sie den Druck der Mündung an ihrer Stirn.
    Ein feuchter, kalter Kreis. So kalt wie der Tod. Ellen wußte jetzt, weshalb der Tod immer als kalt bezeichnet wurde. Sie dachte daran, wie es wohl aussehen würde, wenn sie nicht mehr lebte. Wenn plötzlich die Schatten auf sie zuhuschten, die ewig waren.
    Er lachte noch. »Es ist aus, es ist…«
    Plötzlich schwieg er.
    Ellen hatte die Augen geschlossen. Sie konzentrierte sich einzig und allein auf den Druck der Mündung, auf den verfluchten, kalten Totenkreis auf ihrer Stirn, der einfach nicht weichen wollte. Sie zitterte auch innerlich.
    Warum schoß er nicht?
    Er hatte es doch angedroht. Warum redete er nicht?
    Etwas war passiert, es mußte einfach geschehen sein, und Ellen hörte das gleiche Geräusch wie auch Horace F. Sinclair.
    Hufschlag…
    ***
    Nicht laut, nicht trommelnd oder donnernd, eher leise, aber trotzdem oder gerade deshalb so gut zu hören.
    Da kam jemand!
    Die blonde Frau fühlte sich wie eingefroren. Ihr gesamtes Ich befand sich in einem Zwiespalt. Sie schwankte zwischen Hoffen und Bangen. Sie wußte nicht, was sie denken, ob sie überhaupt noch denken sollte. Die Welt um sie herum war gleichgeblieben, aber sie hatte sich trotzdem stark verändert.
    Hufschlag…
    Das leise Tappen oder Schlagen auf dem weichen Boden. Ein Pferd kam. Mit einem Reiter? Ellen wußte es nicht. Sie traute sich auch nicht, sich zu bewegen oder den Kopf zu drehen. Noch »klebte« die Mündung an ihrer Stirn fest.
    Würde der Reiter näherkommen, oder würde er irgendwo weiter entfernt anhalten und zuschauen?
    Ellen hatte keine Ahnung. Sie konnte nur hoffen, daß ihre Galgenfrist anhielt, und sie hätte gern gesehen, wie der Mann mit dem Gewehr reagierte.
    Er schaute nicht mehr auf sie hinab, sondern über die Kniende hinweg. Denn er hatte den Hufschlag ebenfalls genau gehört, und in seinem Innern hatte sich etwas verändert. Er war fest entschlossen gewesen, die Frau zu töten, doch dieser Hufschlag hatte ihn plötzlich unsicher werden lassen.
    Er konnte das schmale Band der Straße sehen. Auf der anderen Seite stand kein Wald, dafür schoben sich Gestrüpp und Buschwerk aus dem hohen Gras hervor, das allerdings sehr biegsam war und einem Reiter kaum Hindernisse entgegensetzte.
    Er kam.
    Er zeichnete sich in der vom fahlen Mondlicht durchwehten Dunkelheit ebenfalls wie ein grauer Schatten ab. Es war kein Gespenst, kein feinstoffliches Wesen, es war ein Mann auf einem Pferd, aber wie sah dieser Mann aus?
    Er paßte nicht in die heutige Zeit hinein. Er war ein Relikt aus dem Mittelalter. Ein Überbleibsel der Jahrhunderte, als wäre es soeben von den Kreuzzügen gekommen und hätte sich in den Norden Europas hinein verirrt. Er hockte auf dem Rücken des Pferdes und hielt den Kopf nach vorn gebeugt. Beinahe wie ein Büßer kam er dem Betrachter vor. Um seine Schultern lag ein Mantel, der sich hinter ihm auf dem Rücken des Tieres wie ein Tuch ausbreitete. An der rechten Seite steckte das Schwert in einer Scheide. Die Haare waren nach hinten gekämmt. Das Gesicht wirkte maskenhaft starr. Nur in seinen Augen hatte sich der Glanz des Mondes verfangen und ließ sie ungewöhnlich
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