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0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt
Autoren: Adrian Doyle
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klammerte er sich, um nicht verrückt zu werden.
    Um Corben tat es ihm leid, er hatte ihn gemocht.
    »Joseph?«
    Rawlings stakste einfach an ihm vorbei. Als wäre Raffles Luft für ihn.
    Allmählich drehen hier wohl alle durch.
    Es kursierten Gerüchte, dass ein Mann in einer Zelle gefunden worden sei, der gar nicht zu den Häftlingen zählte. Irgendein Fremder, merkwürdig gekleidet - Turner oder so ähnlich sollte er heißen… Angeblich war dieser Turner zur Chefsache erklärt worden. Pallister kümmerte sich persönlich darum.
    Schulterzuckend folgte Raffles' Blick seinem Kollegen, der die nächste Zellentür ansteuerte, den Riegel zurückschob und sie öffnete. Aber statt hineinzusehen - warum auch immer -, stakste er sofort weiter zur Nachbarzelle und öffnete auch die. Dann ging es ungebremst zur dritten, vierten…
    Raffles war so verblüfft, dass er erst reagierte, als fünf Zellen offen standen.
    »Joseph, du Wahnsinniger! Spinnst du jetzt total? Die werden -«
    Er unterbrach sich, als die ersten Gestalten auf den Gang traten. Die Häftlinge wirkten ebenso überrumpelt wie Raffles. Aber das hinderte sie nicht daran, aus ihren Löchern zu kommen.
    Scheiße. Ich muss Alarm schlagen!
    Raffles zog die Pfeife aus seiner Jacke und blies kräftig hinein. Der Ton fräste sich schrill durch den Gang, war weithin zu hören. Schon antwortete eine andere Pfeife.
    Joseph Rawlings war stehen geblieben, als der Pfiff ertönte. Zum ersten Mal schien er Raffles überhaupt wahrzunehmen. Der Blick, mit dem er ihn bedachte, war scharf wie eine Klinge, die Raffles in die Haut schnitt.
    Heilige Mutter Gottes!, dachte er.
    Im nächsten Moment hatte Rawlings sich wieder abgewandt… beziehungsweise den befreiten Häftlingen zugewandt.
    Deren Stimmen gingen wild durcheinander. Sie sahen Rawlings. Sie sahen Raffles. Aber sie begriffen nicht, was die beiden Wärter von ihnen wollten.
    Raffles kapierte es auch nicht.
    Noch einmal blies er in die Pfeife. Hastende Schritte kamen näher.
    Die Kollegen.
    Rawlings hörte es auch. Doch es schien ihn nicht zu interessieren. Noch nicht zumindest. Seine ganze Aufmerksamkeit schien auf den Häftlingen zu ruhen, die er herausgelassen hatte. Sie hatten sich gruppiert, sahen ihm entgegen, als er ungelenk auf sie zuging.
    Sein Knüppel steckte in der Gürtelschlaufe. Er trat mit leeren Händen auf sie zu. Sie grienten ihn unsicher an. In einigen Augenpaaren loderte der blanke Hass. Sie wurden hier gehalten wie Vieh. Und nicht einer von ihnen liebte seine Peiniger - diejenigen, die darüber wachten, dass sie ihre Strafen absaßen.
    Raffles wollte einen Warnruf ausstoßen. An Rawlings adressiert. Die anderen Kollegen würden nicht rechtzeitig eintreffen, wenn es hart auf hart käme. Wenn Rawlings nicht aufhörte, hier den Wahnsinnigen… und den Helden zu mimen.
    Aber der Ruf blieb ihm im Halse stecken.
    Weil Rawlings die Sträflinge bereits erreicht hatte, furchtlos vor den vordersten trat… und ihm die gespreizten Finger - Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand - mit einer Schnelligkeit und einer Wucht in die Augäpfel rammte, dass das schmatzende Geräusch, mit dem sie zerplatzten, bis zu Raffles zu hören war.
    Doch damit nicht genug.
    Joseph Rawlings veränderte sich im Moment der Tat. Sein Körper aus Fleisch und Blut, ja selbst seine Wärteruniform, schien zu bläulichem Glas zu werden. Glas, das weich und biegsam blieb - und durch dessen Oberfläche zu sehen war, wie Rawlings ( Das war nicht Rawlings! Das war - ) sämtliche Säfte aus dem aufgespießten Häftling herauszog. Blut und andere Flüssigkeit, die wie vermahlene Innereien - Gehirnmasse! - aussah, quollen über Hand und Arm in das gläserne Monstrum, in das sich Rawlings verwandelt hatte. Als sich die dornenartigen Finger endlich aus dem Schädel seines Opfers lösten, fiel es knisternd wie eine Papierhülle zu Boden. Die sachte Abwärtsbewegung, mit der es hinfiel, suggerierte geradezu, dass es völlig entleert, restlos ausgesaugt worden war!
    Raffles stöhnte auf. Die anderen Häftlinge drängten zurück zu ihren Zellen, wo sie sich offenbar Schutz versprachen. Aber dorthin kamen sie nicht. Der Gläserne war schnell wie ein Gedanke. Raffles konnte seinen Bewegungen, mit denen er mal hierhin, mal dorthin stob, kaum folgen. Aber jedes Mal sank ein Toter zu Boden. Knisternd, raschelnd.
    Als der erste Wärter, von Raffles Pfiffen alarmiert, um die Gangbiegung kam, hatte sich Rawlings wieder zurückverwandelt in das, was er nicht
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