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0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt
Autoren: Adrian Doyle
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erweckten Gehrock und Hose den Eindruck einer Uniform.
    Halls Faktotum schob sich ängstlich hinter seinen Meister. Dabei rutschte dem Jungen ein ungebührlicher Fluch über die Lippen.
    Hall wartete schweigend, bis sich eine der Gestalten aus dem Kordon gelöst hatte und auf ihn zukam. Er war etwas breiter gebaut als Hall, aber zugleich auch einen halben Kopf kleiner. Die energischen Züge verrieten dem erfahrenen Mann jedoch, dass er einen ernstzunehmenden Kontrahenten vor sich hatte.
    »Arsenius Hall, einziger Sohn von Albert Hawk?« Die Stimme war kalt wie eine Hundeschnauze. Noch kälter wirkten nur die Augen des Anführers, die an gefrorenen Sternenstaub erinnerten.
    Hall beeindruckte weniger, dass der Unbekannte ihn zu kennen schien, als die Nennung des anderen Namens - den er nie zuvor gehört hatte, der aber offenbar mit ihm in Verbindung gebracht wurde. Sofort schlug sein Herz höher. Zumal diese Männer offenbar unbeeindruckt waren von den Maßnahmen, die er getroffen hatte, um unentdeckt zu bleiben.
    »Albert?«, fragte er sanft. »Wer soll das sein? Ich kenne keinen Albert Hawk.«
    Die Miene seines Gegenübers blieb auch jetzt ausdruckslos. »Wer ist der Junge?«
    »Das dürfte kaum von Belang sein.« Hall wandte sich kurz Twist zu und zwinkerte ihm aufmunternd zu. »Er hat nichts mit der Sache - was immer es ist - zu tun. Ich kümmere mich ein wenig um ihn, an Vater statt. Er ist völlig harmlos, hatte aber leider nicht das Glück, in eine anständige oder gar begüterte Familie geboren zu werden.«
    Der Uniformierte beugte sich auf Twist' Augenhöhe hinab, fixierte ihn kurz und zischte dann: »Hau ab! Verschwinde und lass dir nicht einfallen, uns Ärger zu machen!«
    Twist zuckte zusammen und wollte sich schon davonmachen, aber Hall griff nach dem Ärmel seines Hemdes und zog ihn daran nach vorne. Als würde er die Kulisse eines Theaterstückes arrangieren, platzierte er sein Faktotum ebenso sorgfältig wie behutsam vor sich, legte ihm beide Hände auf die Schultern und übte beruhigenden Druck aus. »Niemand spricht so mit Twist! Er steht unter meinem persönlichen Schutz, mein Herr. Und sollte Ihnen das nichts bedeuten, werden Sie erkennen müssen, dass Überzahl nicht immer gleichbedeutend mit Übermacht ist.«
    Die Augen von Arsenius Hall glühten plötzlich in einem Feuer, das selbst auf dem bislang so gefühlstoten Gesicht des Uniformierten Regungen erzeugte.
    »Das wäre unklug von Ihnen, Mister Hall, und außerdem völlig unnötig.«
    »Ach?« Arsenius Hall hob die linke Augenbraue.
    »Wir sind nicht, auch wenn dies bei flüchtiger Betrachtung so scheinen mag, gekommen, um unsere Kräfte mit Ihnen zu messen.«
    »Sondern?«, fragte Hall kühl, während er ganz genau spürte, dass sein Ziehsohn ihm am liebsten durch die Hände geschlüpft wäre und das Weite gesucht hätte. Twist schlotterte vor Angst. Viel mehr als vorhin auf dem Friedhof, als der alte Blutjäger aus der Gruft gekommen war.
    »Wir kommen im Auftrag der Krone zu Ihnen. Ihre Majestät, die Königin, wünscht Sie zu sprechen - unverzüglich. Sie haben nichts zu fürchten, weder von ihr noch von uns. Es geht vielmehr darum…« Die Stimme des Uniformierten holperte plötzlich, als bereitete ihm die Eröffnung einiges Zähneknirschen. Aber Hall wartete geduldig, bis der unsympathische Kerl seinen Satz vollendet hatte. Was nach einem tiefen Atemzug, der mehr ein Ringen um Fassung war, auch geschah. »… dass Ihre Majestät sich Hilfe von Ihnen erhofft. Hilfe in einer heiklen Angelegenheit.«
    »Heikler als Vampire?«, fragte Arsenius Hall freundlich. Er spürte, wie sich Twist etwas entspannte.
    »Wer«, erwiderte der Uniformierte in fast schon liebenswerter Selbstüberschätzung, »fürchtet schon elende Vampire ?«
    ***
    Die Frau trug Trauer - seit dreißig Jahren.
    Arsenius Hall zuckte zusammen, als sie gemessenen Schrittes in den Raum schwebte. Es sah tatsächlich so aus, als gehe sie nicht einfach, sondern gleite dahin, wie geistesabwesend, wie… ein Gespenst.
    Vielleicht war sie das ja sogar - geworden, ein Gespenst. Nach dem Tod ihres Gatten, hieß es, hatte Königin Victoria sich von einer Lebefrau zur Eigenbrötlerin und Einsiedlerin gewandelt.
    Es überraschte Hall, der sich für Politik interessierte, beinahe mehr, sie im Buckingham Palace anzutreffen als ihn seine eigene Anwesenheit hier verblüffte. Die Königin hatte den pompösen Palast viele Jahre lang gemieden, sich lieber in Windsor oder Baimoral Castle oder im
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