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0893 - Der Atem des Bösen

0893 - Der Atem des Bösen

Titel: 0893 - Der Atem des Bösen
Autoren: Adrian Doyle
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er sich an den Yard-Mann, »dass genau da, wo heute die Tate Gallery steht, vor fast dreihundert Jahre eine Mühle der Westminster-Abtei stand?«
    Hogarth schüttelte den Kopf. Zögerlich fragte er: »Ist das von Bedeutung? Für uns, meine ich.«
    Zamorra antwortete nicht. »Und dass nach dem Abriss der Mühle irgendwann vor dreihundert Jahren dort das Familienanwesen der angesehenen und einflussreichen Familie Grosvenor entstand, bis…«
    »Bis?«
    »Auch das abgerissen wurde. Um einem ganz speziellen Bau zu weichen, Anfang des 19. Jahrhunderts.«
    »Was meinen Sie mit einem ganz speziellen Bau?«
    »Ein für die damaligen Verhältnisse einzigartiges Gefängnis - einzigartig schon, was seine Architektur, seinen Aufbau also, aber auch die Behandlung der Insassen anbelangt. Die Anstalt war in Form eines Rades aufgebaut, im Mittelpunkt die ›Nabe‹, ein gewaltiger Turm mit Verwaltungs- und Vorratsräumen und davon abgehend wie Speichen die mehrstöckigen Gebäudeteile mit den Zellen für die Inhaftierten, die überwiegend in völliger Isolationshaft gehalten wurden. Man sagt, das Millbank Penitentiary habe rund dreitausend Gänge besessen - ein gigantisches Labyrinth.«
    »Millbank Penitentiary?«
    »So lautete der Name der Anstalt.«
    Hogarth wirkte verwirrt und machte kein Hehl daraus. »Eine Mühle, ein privates Anwesen, ein - meinetwegen - beachtliches Gefängnis, das offenbar auch irgendwann wieder weichen musste, für das Tate nämlich…«
    »Zu Beginn des 20. Jahrhundert«, sagte Zamorra.
    »Meinetwegen. Und sicher ist das eine interessante Abfolge von Verwertungszwecken, wenn es ein und dasselbe Grundstück betrifft, aber…«
    »… es bringt uns bei unserem Problem keinen Schritt weiter, meinen Sie?«, fragte Zamorra.
    Hogarth nickte.
    »Ich fürchte, da haben Sie recht. Aber mehr als die leicht absonderliche Geschichte des Grund und Bodens, auf dem bislang zwei Menschen starben und drei… verschwanden, kann ich Ihnen im Moment noch nicht bieten. Der Schlüssel liegt wahrscheinlich doch im Tate selbst. Ich werde mich dort noch einmal mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln…« Er nickte zu einem Koffer hin, der vor einer guten Stunde eingetroffen war und den er sich aus Frankreich hatte schicken lassen, per Expresskurier. »… umsehen müssen. Wenn Sie wollen, dürfen sie mir gern Gesellschaft leisten.«
    »Wann?«
    »Gleich«, sagte Zamorra. Sein Blick streifte das Bett, in dem er Nicole vor knapp 36 Stunden zum letzten Mal hatte liegen sehen - bereits in einer Weise verändert, dass ihm jetzt noch grauste. »Am besten gleich…«
    Er schenkte Hogarth einen langen Blick.
    Der Yard-Mann nickte. »Gern.«
    Als sie das Zimmer und wenig später das Hotel verließen, hatte Zamorra das aufbauende Gefühl, auf seinem vielleicht schwersten Gang… von einem Freund begleitet zu werden.
    Und das schenkte ihm Zuversicht.
    Ich finde dich Nici , dachte er. Ich verspreche dir, ich finde dich, wo immer du auch stecken magst!
    Dazu gehörte vermutlich, dass er das vernichten musste, was sich im Tate Britain eingenistet hatte. Doch dazu war er bereit.
    Mehr als das!
    Epilog II
    Jeder Blick aus dem Fenster erinnerte ihn an den Tag.
    Ebenso wie jeder Blick, der im Innern des Hauses verweilte - zwischen Dekor und Möbel umherschweifte - überall ihre Spuren fand, ihn an die Stunde, die Minute, den Moment erinnerte, als der Tod sie ihm mit endgültiger Gewissheit entrissen hatte.
    O Meredith…
    Sir Robert Grosvenor seufzte schwer, lauschte dem Ticken der großen Standuhr, betrachtete das Hin und Her des schweren Pendels, das sie in Gang hielt, fand keinen Schlaf, fand nicht einmal die Muse, sich in dem Buch zu vertiefen, das aufgeschlagen in seinem Schoß lag. Stattdessen tat er, was er seit Monaten tat: Er litt. Fast ohne Unterlass, nur von wenigen - und dann allzu kurzen - Phasen des Weggleitens in ein friedloses Dahindämmern unterbrochen, aus dem er meist schweißgebadet wieder aufschreckte, fahriger und erschöpfter als zuvor.
    Sein Leben war die Hölle seit Meredith' unfassbarem Tod, und die Hölle sein Leben. Wäre Elizabeth, seine fünfjährige Tochter nicht gewesen, vielleicht hätte er sich längst an einem der großen, knorrigen Bäume seines Guts aufgeknüpft. Aber das Kind brauchte ihn, so wie er es brauchte.
    Es hatte bis heute nicht verstanden, was mit seiner Mutter geschehen war.
    Niemand hat es verstanden. Es ist nicht zu begreifen.
    Ihr Leichnam war nie gefunden worden. Alle Anstrengungen, ihn
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