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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars
Autoren: Simon Borner
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verloore?« fragte ein älterer Herr in grellbuntem Hawaiihemd, dem Klang nach ein Deutscher aus dem Kölner Raum. Zamorra ignorierte ihn. »Ja, genau«, antworteté Nicole auf Deutsch, was den Alten offenbar zufrieden stellte. »Na, hoffentlich finden se dat Ding noch«, erwiderte er freundlich und ging weiter. Nicole nickte noch einmal lächelnd, wandte sich dann aber wieder sofort Zamorra zu.
    »Professor Montejo ist verschwunden«, sagte Zamorra leise, als sich seine Assistentin besorgt neben ihn hockte. Er wirkte besorgt und hoch konzentriert. Ihr fragender Blick sprach wohl Bände, denn er fuhr gleich fort: »In einem Moment hatte ich mich noch mit ihm unterhalten, aber als ich mich dann umdrehte, war er fort. Einfach weg. Ich habe bereits die Wände nach einer Geheimtür abgeklopft.«
    Nicole fackelte nicht lange. Sie nutzte einen Moment, an dem das Touristenaufkommen in der kleinen Tempelkammer nicht ganz so stark war, und stellte sich vor Zamorra. Sie zog ihren Reiseführer aus der Tasche und faltete die darin befindliche Karte auf, um Zamorra nach Kräften vor etwaigen neugierigen Blicken abzuschirmen. »Eine Zeitschau! «, wisperte sie über die Schulter. »Schnell.«
    Zamorra nahm sich das Amulett vom Hals und verschob die Hieroglyphen am Rand mit einem leichten Druck seiner Fingerspitzen. Jetzt konnte er wie bei einem rückwärts laufenden Film die Geschehnisse der letzten Stunde ablaufen sehen. Einige Minuten später war es vorüber - ergebnislos. Nichts hatte er herausgefunden. Auf dem kleinen Drudenfuß, der bei der Zeitschau als Bildschirm diente, waren nur die Touristen zu sehen gewesen. Und dass Montejo in einer Sekunde noch dort gestanden hatte, wo Zamorra ihn zuletzt gesehen hatte - und dass er im nächsten Moment nicht mehr dort war. Zamorra war etwa eine halbe Stunde zurückgegangen, das war nicht viel, aber dennoch hatten sich auf seiner Stirn Schweißperlen gebildet, die nichts mit der Hitze zu tun hatten. Er rieb sich den Nacken.
    Nicole sah ihn mitleidig an. Die Zeitschau kostete jedes Mal Kraft, die sich das Amulett grundsätzlich bei seinem Besitzer holte. »Und jetzt vermutest du eine Falltür? Das hätte dir das Amulett doch gezeigt.«
    »Ich weiß, aber irgendetwas muss ich ja machen. Ich… verstehe das einfach nicht.«
    Er war sichtlich unzufrieden. Zamorra mochte es nicht, vor scheinbar unlösbaren Rätseln zu stehen und aufgeben zu müssen, das wusste Nicole genau. Sie drehte den Kopf und sprach eine rothaarige Frau in geblümtem Kleid an, die gerade durch die schmale Eingangstür den Raum betrat. »Haben Sie zufällig einen älteren Herrn in weißem Hemd gesehen? Einen Mexikaner, etwa 60 Jahre alt und vollschlank?«
    Die Frau, allem Anschein nach Engländerin, schüttelte den Kopf.
    »Und Sie?« wandte sich Nicole an den nächsten Besucher. »Hat hier irgendjemand einen 60jährigen Mexikaner gesehen? Weißes Hemd, graue Haare, rundliche Figur? Irgendjemand?« Sie wiederholte die Frage minutenlang in Spanisch und Englisch, bei jedem Neuankömmling, erntete aber nur bedauernde Blicke und Verneinungen.
    »Lass uns hinuntergehen«, schlug Zamorra vor. »Vielleicht ist er ja doch bei Rodrigo auf dem Ballspielplatz. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber so langsam gehen mir hier die Alternativen aus.«
    Er griff nach ihrem Arm und zog sie sanft zum Ausgang und zur Treppe zurück, von wo aus sie eine gute Aussicht über das gesamte Gelände hatten. Auch den noch gut erhaltenen Ballspielplatz konnten sie mühelos ausmachen und sahen sogar Elian Rodrigo.
    Er war allein.
    ***
    Eines Morgens war Haberland nicht beim Frühstück.
    Als ich Pedro fragte, wo er sei, antwortete dieser, Fritz sei bereits vorgegangen, um den Rest der Inschriften und Malereien abzuzeichnen. Ich wollte meinem Assistenten rasch folgen und packte meine Sachen und die Unterlagen mit den bereits übersetzten Teilen der Inschriften ein. Auf der Pyramide rief ich nach Haberland, doch ich konnte ihn nicht finden. Es war wieder still, kein Tierruf, nicht das leiseste Geräusch drang zu mir auf den Tempelkomplex. Jetzt wurde mir wirklich unheimlich, aber ich versuchte mich zu beruhigen, dachte ich doch bei mir, Fritz sei sicher unterwegs, um nach Überresten von Feldern und ähnlichem zu suchen.
    Doch kaum hatte ich das Innere der Pyramide betreten und die Fackeln zur Beleuchtung entzündet, geschah es.
    Auf einmal schloss sich wie von Geisterhand der Eingang. Auch die winzigen Fensteröffnungen waren plötzlich nicht
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