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0875 - Die Rückkehr des Jägers

0875 - Die Rückkehr des Jägers

Titel: 0875 - Die Rückkehr des Jägers
Autoren: Andreas Balzer
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konnte. Wenn sie fort war, um andere Seelen ins Unheil zu stürzen, übernahmen ihre Diener diese Aufgabe, und sie waren nur zu eifrig darum bemüht, ihrer Herrin zu gefallen, indem sie den Gefangenen die schlimmsten Martern zufügten.
    Diesmal schien es Tage her zu sein, seit sich die Dämonin hatte blicken lassen. Vielleicht hat sie uns vergessen, dachte Paul mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. Denn wenn Stygia tatsächlich das Interesse an ihnen verloren hatte, würden sie hier elendig verschmachten. Seine Mutter hatte den Kampf längst aufgegeben. Apathisch starrte Therese Gautard vor sich hin.
    Paul wusste nicht, wann sie ihm zuletzt ein tröstendes Wort zugesprochen oder auch nur auf seine Rufe reagiert hatte.
    Auch sein Vater schien kaum noch mitzubekommen, was um ihn herum vorging. Unablässig murmelte er Gebete vor sich hin. Paul glaubte, aus den kaum verständlichen Worten das »Vaterunser« herauszuhören, aber er war sich nicht ganz sicher.
    Doch Paul war noch nicht bereit, aufzugeben. Er war jung, und er wollte nicht sterben. Obwohl ihm sein Verstand immer wieder sagte, dass sie verloren waren, hoffte ein Teil von ihm, dass Stygia irgendwann von ihrem schändlichen Tun abließ oder sie auf wundersame Weise gerettet würden.
    »Und was macht mein Pfarrerchen heute?«
    Mühsam hob Paul den Kopf, um zu sehen, wie Stygia mit triumphierendem Grinsen die Folterkammer betrat. Die Dämonin war wie immer fast nackt, doch sie hatte für Paul längst jeden Reiz verloren. Ihre Trolle und körperlosen Hilfsgeister schwirrten sofort in alle Ecken, um ja nicht die Aufmerksamkeit ihrer Herrin zu erregen. Denn zu ihren Dienern war die Dämonin kaum weniger grausam als zu ihren Gefangenen. Der kleinste Fehltritt reichte aus, um sie auf der Stelle zu vernichten.
    Das Gemurmel von Philippe Gautard wurde lauter. Stygia lachte auf. »Eins muss man dir lassen, du bist schwerer zu knacken, als ich gedacht habe. Doch langsam wird es langweilig. Zeit, die Sache zu beenden.«
    Eine bloße Handbewegung der Höllenfürstin reichte, um die Fesseln von Thérèse Gautard zu lösen. Die Beine konnten die ausgemergelte Frau nicht mehr halten. Hart schlug der Körper auf dem Boden auf. Dann gab Stygia ihren Hilfsgeistern einen raschen Wink. Mit namenlosem Entsetzen sahen Philippe und Paul Gautard zu, wie sich die dämonischen Kreaturen wie ein Schwärm Piranhas auf die Wehrlose stürzten und ihr das Fleisch von den Knochen rissen. In weniger als einer Minute war nur noch das blanke Skelett übrig.
    »Thérèse!«, keuchte Philippe Gautard.
    »Glaubst du immer noch, dein Herr würde dich retten?« Mit infernalischem Gelächter ergriff Stygia das Skelett und führte mit ihm einen obszönen Tanz auf. Dann drückte sie dem weinenden Pfarrer das blanke Gebiss des Gerippes zur höhnischen Parodie eines Kusses auf die Lippen.
    Das war der Moment, in dem Philippe Gautards Geist endgültig zerbrach. Sein fester Glaube, der ihn all diese Qualen hatte ertragen lassen, zerfiel in dieser Sekunde zu Staub. Weinend ergriff der Geistliche mit der angeketteten rechten Hand das Kreuz, das immer noch an der Kette um seinen Hals hing, und warf es zu Boden. Das Kruzifix glühte kurz auf, als es die Höllenmaterie berührte, dann zerschmolz es zischend zu einem bedeutungslosen Klumpen Metall.
    »Wo ist dein Gott nun?«
    »Ich… ich weiß es nicht.«
    »Hat dich dein Herr verlassen?«
    Der einst so stolze Gottesmann schluchzte. »Ja, das hat er.«
    »Und du weißt, wer deine neue Herrin ist? Wer immer für dich da sein wird?«
    Philippe Gautard nickte. »Du bist es.«
    »Ganz genau«, sagte Stygia. »Dann sieh her, wie ich für meine Diener sorge.«
    Ein roter Blitz zuckte aus der rechten Hand der Höllenkreatur und fuhr in den ausgemergelten Körper des Geistlichen. Die gequälte Kreatur, die einmal Philippe Gautard gewesen war, starb ohne jeden Schmerzenslaut. Dafür schrie Paul umso lauter. Sein Angstschrei übertönte sogar das höhnische Gelächter der Dämonin.
    Doch zu Pauls Entsetzen war es weniger der Tod seines Vaters, der ihm zusetzte. Was ihn fast wahnsinnig werden ließ, war die Erkenntnis, dass er jetzt ganz allein war. Hilfslos der Hölle und ihren Kreaturen ausgeliefert.
    ***
    Gegenwart
    Stygia war schlecht gelaunt. Die Fürstin der Finsternis hockte auf dem Knochenthron und hing ihren düsteren Gedanken nach. Zu viele Pläne waren in der letzten Zeit gescheitert. Nicht nur, dass sie bei ihrem ewigen Kampf gegen Professor Zamorra
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