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0866 - Die Herrin der Raben

0866 - Die Herrin der Raben

Titel: 0866 - Die Herrin der Raben
Autoren: Christian Schwarz
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Leichen, zum nächsten Schindanger außerhalb der Vorstadt, wo die ehrlosen Berufe wie Henker, Bader, Totengräber, Nachtwächter, Spielleute, Verbrecher und Selbstmörder begraben wurden. Hier hatten die Siechknechte an einer Wegkreuzung bereits eine Pestgrube ausgehoben. Der Schnee ließ die darin liegenden Leichen nur in Umrissen erkennen.
    Abraham hieß den Siechknecht, die Toten in die Grube zu kippen. Der Schnee deckte auch sie innerhalb kürzester Zeit.
    Einigermaßen erleichtert gingen sie in die Stadt zurück.
    ***
    Asmodis, der die beiden Mönchlein die ganze Zeit über per Dreifingerschau beobachtete, war's zufrieden. Die heilige Kreuzpartikel war zwar nicht zerstört, aber absolut unschädlich gemacht und, was ihm fast noch wichtiger erschien, weit von der Hofburg entfernt.
    Und die Hexe musste er nun auch nicht zum Dämon erhöhen.
    Friede ihrer Asche.
    Da hatte er glatt zwei niedere Hilfsgeister mit einem Zauber erlegt.
    Asmodis kicherte. Er liebte es, wenn Pläne funktionierten. Und noch mehr, wenn es seine Pläne waren, die funktionierten.
    ***
    Gegenwart:
    Nicole atmete schwer. Während ein vorbeikommender Passant den Notarzt rief, versuchte sie, Jerry Kretchmer wiederzubeleben. Brustkorbmassage, Mund-zu-Mund-Beatmung, immer wieder. Zäh machte Nicole weiter. Schweiß stand auf ihrer Stirn. »Komm schon, Junge, komm«, flüsterte sie zwischendurch. »Ich weiß, du schaffst es. Deine Zeit ist noch nicht gekommen.« Sie wusste selbst nicht, woher sie diesen Optimismus nahm.
    Gaffer blieben stehen. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sich eine dichte Menschentraube um Nicole bildete. Keiner der Sensationslustigen dachte daran, ihr irgendwie zu helfen.
    Vollidioten, dachte sie erbittert.
    Sirenen ertönten. Eine Ambulanz hielt mit quietschenden Reifen. Männer sprangen heraus. Das war der Augenblick, in dem Jerry Kretchmer wieder zu atmen anfing.
    Der Notarzt kümmerte sich um den Amerikaner. Nicole erhob sich derweil. Sie würdigte die Gaffer keines Blickes. Zum Glück kam nun auch die Polizei und zerstreute die Schaulustigen rasch.
    Kretchmer wurde auf die Trage geschnallt.
    In diesem Moment begann der Nachthimmel über Wien in einem tiefen Blutrot zu leuchten. Hunderttausende Raben, die wie Scherenschnitte wirkten, zogen plötzlich lautlos ihre Bahnen. Schwarze Blitze zuckten aus den angeschienenen Wolken, verästelten sich und fuhren ebenso lautlos zur Erde nieder. Der Szene haftete etwas ganz und gar Unwirkliches an.
    »Jesus Maria hilf«, flüsterte der Polizist neben Nicole mit vor Angst geweiteten Augen und schlug dreimal das Kreuz. »In Wien geht der Teufel um. Das Ende naht.«
    Auch Nicole fühlte sich ziemlich unwohl. Sie fragte sich, was diese Himmelserscheinung wohl bedeutete. Das Ende der Hexe? Oder deren Sieg?
    Das Bild beginnender Apokalypse hielt nur etwa eine Minute an. Dann verdunkelte sich der Himmel wieder. Auch die Raben verschwanden.
    Wie betäubt gingen die Menschen ihrer Wege. Nicole fuhr mit der Ambulanz ins nahe Hanusch-Krankenhaus. Den Erstrettern gelang es, Jerrys Zustand stabil zu halten. Die Französin atmete auf.
    Sie traf Zamorra und Claudius im Hotel Wandl wieder.
    »Was ist mit Amber?«
    Zamorra erzählte es ihr. »Und als ich sie k.o. geschlagen hatte, mussten wir sie nach oben tragen. Gott sei Dank hatte sie sich auch den Schlüssel für den Ausgang auf den Stephansplatz besorgt. Ich habe Amber an eine Hauswand gelehnt. Ihr fehlt so weit nichts. Sie wird sich morgen fragen, ob sie das alles nur geträumt hat.«
    Der Professor räusperte sich. »Nun, ich glaube nicht, dass uns jemand beachtet hat. Alle haben diesen blutroten Himmel angestarrt. War ja auch richtig unheimlich. Die Hexe hat wirklich bemerkenswerte Fähigkeiten.«
    Am nächsten Morgen besuchten Zamorra und Nicole Jerry Kretchmer, dem es schon wieder gut ging. Um die Mittagszeit wurde er entlassen. Sie gingen gemeinsam essen und setzten sich ans Fenster auf eine gemütliche Bank. Der Amerikaner war still und in sich gekehrt. Er begann erst zu reden, als die beiden Dämonenjäger eine Menge von sich erzählt hatten. Seine Vertrauensperson war dabei aber eindeutig Nicole.
    »Ich hätte es noch vor kurzer Zeit nicht für möglich gehalten, dass es so etwas gibt«, flüsterte er. »Hexen, Geister, Dämonen. Ich hielt das für kompletten Schwachsinn. Aber nun…«
    Er lächelte sie fast verzweifelt an. Dann gab sich Kretchmer endgültig einen Ruck. »Hm. Ich war von dieser Hexe besessen. Sie ist in mir
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